Ehre für einen bescheidenen Zeitgeist
Teuchern/MZ. - Er steht im Mittelpunkt - und fühlt sich gar nicht wohl dabei. Das Blitzlichtgewitter der Kameras veranlasst Bernhard Brinksmeier, immer wieder Hilfe suchend zu Ehefrau Edith und dem zweitältesten von fünf Söhnen zu blicken. "Es ist ein Tag der Überraschungen und des Dankes", beschreibt der 80-Jährige kurz seine Gefühle angesichts erlebnisreicher Stunden in der Kleinstadt.
Schon am Morgen ist Familie Brinksmeier von Gemeindegliedern und Stadträten im Pfarrhaus herzlich empfangen worden. Manfred Gießler vom örtlichen Heimatverein führt den Gast durch jenen Ort, in dem er vor fünf Jahrzehnten wirkte. Die Eindrücke vom neuen Pflegeheim der Diakonie, vom schmucken Marktplatz, der sanierten Schule und liebevoll renovierten Häusern veranlassen den neuen Ehrenbürger während seiner späteren Dankesrede im Rathaus zur Bemerkung: "Top-Teuchern ist wirklich tipp-topp." Nach dem Rundgang und einem Essen im Ratskeller verfolgt Brinksmeier sichtlich gerührt den von seinem Amtsbruder, Pastor Lothar Tautz, in der Kirche Sankt Georg gehaltenen Festgottesdienst zum Reformationstag. Seine Gedanken und Eindrücke an alter Wirkungsstätte kann der 80-Jährige kaum verarbeiten, muss er doch zum Festakt ins Rathaus eilen. Dorthin, wo man ihn einst äußerst unfreundlich mit Handschellen empfing.
Dieses Mal ist alles anders. Der Probst in Rente wird mit Lob überhäuft. Vor allem der Laudator und Initiator der Ehrenbürgerschaft, Pfarrer Klaus Bretschneider, bis zu seinem Ruhestand selbst in Teuchern tätig, würdigt das aufrechte Engagement des Christen Brinksmeier. Zu einer Zeit, als der Staat DDR der Kirche äußerst kritisch gegenüber stand und in der verhärteten Einheitsgemeinschaft seine Macht für Willkür gegenüber Andersdenkenden missbrauchte, habe er Worten wie Menschlichkeit und Verantwortung gegenüber anderen Taten folgen lassen. Und selbst, als Stadtverantwortliche Brinksmeier aufforderten, zu gehen, sei er geblieben und habe als Unbequemer leiden müssen. Bezugnehmend auf eine Schrift unter dem Stadtwappen verlangt Bretschneider: "Wahrheit und Gerechtigkeit mögen siegen". Damit läuft er am Reformationstag in Teuchern bereits offene Türen ein.
Lothar Gieler, seit zwölf Jahren parteiloser Bürgermeister in der Kleinstadt, tritt ans Rednerpult. Als Repräsentant einer Kommune, deren Offizielle Brinksmeier einst verdammten, entschuldigt er sich beim Ehrenbürger für das erlittene Leid. "Man muss die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart zu gestalten", betont Gieler mit Blick auf die kontroverse Diskussion im Stadtrat im Vorfeld der Ehrung. Nach mehreren Anläufen und nur mit einer knappen Mehrheit hatte sich das Gremium doch entschieden, dem heute in Steinfurt (Westfalen) lebenden Brinksmeier die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. "Es ist wichtig, Unrecht zu erkennen und aufzuheben", betont der Bürgermeister und meint damit wohl auch jene PDS-Stadträte, die Brinksmeiers Leistung für Teuchern öffentlich anzweifelten (die MZ berichtete).
Der Geehrte selbst geht verständnisvoll mit jenen um. Er akzeptiere die Nein-Stimmen im Rat, denn sie gehörten nun einmal zu einer demokratischen Wahl, meint Brinksmeier, nachdem er die Ehrenurkunde erhält. Er dankt vor allem dem Gemeindekirchenrat und der CDU-Fraktion im Stadtrat für die Fürsprache zur Ehrenbürgerschaft. Sein besonderer Dank jedoch gilt jenen, die sich auch nach seiner Haft zu einem verurteilten Pfarrer bekannt haben.
Einige von ihnen sitzen im Publikum und verfolgen gespannt das sich an die Feier anschließende Rathausgespräch. Theologe Dr. Edelbert Richter, der Staatssekretär im Innenministerium, Rüdiger Erben, die Landtagsabgeordnete Krimhild Fischer (beide SPD), die Pfarrer Tautz und Bretschneider und Ehrenbürger Brinksmeier diskutieren die vom Historiker Jacob Burckhardt getroffenen Aussage "Dass die Macht an sich böse ist." Eine Macht, die Teucherns Ehrenbürger einst zu spüren bekam.