Draht nach Maß Draht nach Maß: Endet Familienbetrieb nach fünf Generationen?

Weißenfels - Im Verkaufsraum der Drahtwerkstätten Weißenfels an der Großen Burgstraße sieht es noch wie vor 100 Jahren aus. Dort empfängt die Chefin Kathleen Jänicke ihre Kunden an einem schweren Holztisch. Hinter ihr ein Stehpult aus längst vergangenen Tagen und ein alter Sekretär. „In der alten Werkstatt spürt man die vielen Generationen, die einem bei der Arbeit über die Schulter schauen“, sagt die 54-jährige Weißenfelserin. Denn ihre Familie betreibt die Drahtweberei und -flechterei bereits in der fünften Generation, genauer gesagt seit 159 Jahren.
Hergestellt werden in dem Traditionsbetrieb unter anderem Drahtgeflechte, Wellendrahtgitter, Siebe und Fensterschutzverdrahtungen nach Maß. Auch Kleintierzüchter bestellen bei ihr Drahtgeflechte für Käfige. „Als kleiner Betrieb ohne Massenproduktion können wir individuelle Wünsche der Kunden umsetzen“, sagt sie.
Als Kind mit Drahtresten in der Werkstatt gespielt
Ursprünglich wollte sie nicht in den Familienbetrieb einsteigen und studierte Ökonomie. Und das, obwohl sie als Kind mit Drahtresten in der Werkstatt gespielt hatte. Erst als ihr Vater Anfang der 1990er Jahre erkrankte, vertrat sie ihn. Und blieb dann im Familienbetrieb. „Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, weil sie abwechslungsreich ist und man viel Kontakt mit Menschen hat“, sagt sie.
Zu den besonderen Aufträgen gehören die Fensterschutzverdrahtungen für Kirchenfenster. Was viele nicht wissen: Die Scheiben der Gotteshäuser werden mit einem Drahtgeflecht vor Steinwürfen oder Vögeln geschützt. Dabei müssen die Rahmen für die Drähte genau in die zum Teil verwinkelten Fenster eingepasst werden. Auch die meisten Kirchen in Weißenfels wurden von Jänicke verdrahtet. Für diesen speziellen Bereich ihres Handwerkes hat sie sogar Kunden aus ganz Deutschland sowie Frankreich und der Schweiz.
Mitarbeiter ab dem kommenden Jahr gesucht
Während sich Jänicke zu Beginn eher um das Geschäftliche kümmerte, eignet sie sich mit der Zeit nach und nach die handwerkliche Verarbeitung des Metalls an. Denn schließlich ist absehbar, dass ihre beiden Mitarbeiter Ende des Jahres in den Ruhestand gehen wollen. Daher sucht sie ab dem kommenden Jahr einen Mitarbeiter, der ihr in der Werkstatt zur Hand geht.
„Er könnte auch gern etwas älter sein“, sagt Kathleen Jänicke. Da ihre Kinder in anderen Branchen tätig sind und es keinen Nachfolger gibt, wird sie den Familienbetrieb in etwa fünf Jahren wohl endgültig schließen. Immerhin gehört das Haus der Familie, so dass sie die alte Werkstatt mit den schweren Holzmöbeln als Museum erhalten kann. (mz)