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Chronik erzählt von Dorf und Familie

Von CLAUDIA PETASCH 31.03.2009, 17:57

SCHWESSWITZ/MZ. - Der Mann sieht nicht etwa einem baldigen Wegzug entgegen. Im Gegenteil, er blickt voller Sorge auf einen möglichen Kohletagebau, der in der Region geschaffen werden könnte. "Mir gingen seit den Probebohrungen im Jahr 2006 viele Gedanken durch den Kopf. Ich wollte der Nachwelt die Geschichte des Dorfes und meiner Familie erhalten, die seit mehr als 200 Jahren hier ansässig ist", begründet Fernau seinen Entschluss und hält das Schriftstück in den Händen.

Seit seiner Kindheit lebt der Schweßwitzer mit der Kohle, hat als Sechsjähriger miterlebt, wie die damalige Riebecksche Montanunion Probebohrungen nach dem schwarzen Gold im Garten der Fernaus durchführte. "Ich habe das Sterben vieler Dörfer miterlebt, auch in der Verwandtschaft hat es viele betroffen", erinnert sich der 77-Jährige. Mehr als 50 Gemeinden sind in der mitteldeutschen Region im Zuge des Kohleabbaus verschwunden. Im 19. Jahrhundert begann es im Geiseltal, später im Pegauer Raum, dann nahe Hohenmölsen und in Heuersdorf.

Binnen eines halben Jahres ist die Chronik über Schweßwitz und der Familie Fernau entstanden. Geplant war ursprünglich, das Werk anlässlich der 675-Jahr-Feier des Dorfes im Jahr 2011 zu veröffentlichen. Doch als die Probebohrungen stattfanden, schwenkte der Historiker um und überarbeitete seine bisherige Gliederung. "Die ursprüngliche Chronik zum Dorfjubiläum sollte sich nur der Entwicklung der Gemeinde widmen", erklärt Fernau. Jetzt spiegeln sich viel Familiengeschichte und Beziehungen der Fernaus zum Dorf wider.

Informationen suchte er unter anderem im Archiv Merseburg, im Museum Lützen und Weißenfels sowie im Magdeburger Landesarchiv. "Ich war von meinen Gefühlen letztlich so überwältigt, dass ich sehr viel Persönliches und Familiengeschichtliches eingearbeitet habe", verrät er.

Rund 20 Jahre war Fernau als Einzelbauer tätig, auf dem großen Hof lebten Pferde, Schweine und Kühe, heute hält er nur noch Hühner. 1960 wurde er Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Schweßwitz, die später in die LPG Lützen einging. Es folgte ein Fernstudium, berufliche Tätigkeit an der Akademie für Landwirtschaft der DDR. Nach der Wende baute er die neue Landwirtschaftsverwaltung mit auf. Seit Werner Fernau im Ruhestand ist, vertreibt er sich die Zeit mit Ahnenforschung und der Suche nach historischem Material. Den Anfang machte die Aufstellung einer Ahnentafel, die bis in das Jahr 1677 zurück reicht.

Die Liebe zum Heimatort ist unverkennbar. "Ich habe in dem Dorf meine glückvollsten Stunden verbracht", berichtet Fernau. Auch jetzt sammelt er Relikte von damals, stellt sie in seinem Dorfmuseum im Hof aus und kennt zu jedem der Stücke eine Geschichte. Ein Exemplar der Familienchronik hat er kürzlich dem Lützener Museum für das Archiv übergeben. Sein Vorhaben, die Geschichte des Ortes für die Bürger schriftlich festzuhalten, hat Werner Fernau nicht auf Eis gelegt. "Eine Chronik besteht zur Hälfte aus Geschichte und zur anderen aus Geschichten", meint er. Der Historiker wird weiterschreiben, damit die Bürger zur 675-Jahr-Feier von Schweßwitz eine Zusammenfassung der Historie ihres Heimatortes in den Händen halten können.