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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: «Schatz, das packen wir»

Von PETRA WOZNY 22.06.2011, 19:41

HOHENMÖLSEN/MZ. - Ein ganzes Leben eint Karin und Hans Dieter von Fintel. Und doch wird nun alles anders. Er wirkt geknickt. Sie strahlt. In den vergangenen 23 Jahren war sie oft allein, fast jedes Wochenende seien Termine gewesen. "Ich freue mich sehr, dass ich Hans Dieter jetzt für mich habe. Wir werden uns gemeinsam um die Familie kümmern und viel verreisen." Dann wendet sie sich ihrem Mann zu. "Du musst dich an die Ruhe gewöhnen. Schatz, das packen wir", sagt sie zu ihm und drückt ihm einen dicken Kuss auf die Wange.

Ab 1. Juli ist Hohenmölsens Bürgermeister als Rentner ganz einfacher Bürger der Stadt. Der heute 66-Jährige hätte noch bis zu seinem 70. Geburtstag im Amt bleiben können. Im Winter überraschte er mit seinem Rücktrittsgesuch. "Ich kann die Pflege meiner 87-jährigen Mutter und die Betreuung meines behinderten Bruders nicht mehr länger allein meiner Frau allein überlassen", ist seine Begründung.

Von Fintel ist einer der dienstältesten Ratsherren in Sachsen-Anhalt. Nüchtern erinnert er sich an seinen Amtsantritt 1988. Es habe reichlich Überzeugungsarbeit benötigt und das Ja seiner Frau bedurft. Kaum sei er im Amt gewesen, habe es just zu seinem Geburtstag einen fürchterlichen Eisregen gegeben. Die Elektrizität sei zusammengebrochen. "Ich saß an meinem Schreibtisch und habe nur gedacht: Worauf hast du dich nur eingelassen?" Gedanken, die ihm dann immer seltener kommen.

"Hans Dieter ist ein harmonischer und hartnäckiger Mensch", meint die Ehefrau. Erst nach der Wende wird er Mitglied der CDU und gilt bis heute als fast überparteilich. Eigenschaften, die oft helfen. Wie in Wendezeiten. Die Bergbauregion Hohenmölsen wandelt ihr Gesicht. Das Kraftwerk in Wählitz wird gebaut, die Mondlandschaft bei Pirkau zum in Natur eingebetteten Mondsee. Die Gemeinde Großgrimma wird umgesiedelt, das Bürgerhaus, die Glück-auf- Sporthalle und das Agricolagymnasium werden gebaut und die Partnerschaft zu Bad Friedrichshall mit Leben erfüllt. Nach der Jahrtausendwende folgt der Bau des Schwarzen Weges. Für Hans Dieter von Fintel sind es viele Glücksmomente in seiner fünf Legislaturen währenden Bürgermeisterlaufbahn. Den Spatenstichen und Einweihungen folgte die mühsame kommunale Arbeit von der Verwaltungsgemeinschaft Hohenmölsener Land zur Einheitsgemeinde.

Manche Nackenschläge hat er nur mit geballter Faust in der Tasche wegstecken können. Der Kreisstadt-Status, der verlustig geht, das Krankenhaus, die Post, der Bahnhof, die allesamt geschlossen werden. Vom Abwasserzweckverband Oberes Rippachtal und dessen Klage gegen die Stadt ist er lange enttäuscht. 2,6 Millionen Euro werden über Nachveranlagungsbescheide gefordert. Die Klage wird niedergeschlagen. Das Ende der Bundeswehr-Kaserne habe ihm Tränen in die Augen getrieben. Jetzt tröstet ihn, dass auf dem Gelände statt der Panzer die dort neu gebauten Häcksler fahren.

Gespannt ist von Fintel auf die neue Energiepolitik. "Ich stehe zur Kohle", sagt der Mann mit dem Igelschnitt und versäumt nicht darauf hinzuweisen, dass die Zusammenarbeit mit der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft für Hohenmölsen stets gedeihlich war - und, dass er am Tag der Schutzheiligen der Bergleute, der Heiligen Barbara, geboren wurde.

Der Chef im Rathaus weiß in all den Jahren eine solide Crew an seiner Seite. "Realistisch, ausgeglichen, sozial", so beurteilt ihn Marion Zenne, seine Stellvertreterin. "Man kann ihm auch mal sagen: Das sehe ich anders. Da hört er genau hin", weiß Hauptamtsleiterin Angelika Parchmann. Von Fintels Kämpfernatur hat es Bauamtsleiter Christoph Karger angetan. "Selbstständiges Arbeiten hat er abgefordert. Da konnte man nicht rumeiern", sagt Ordnungsamtsleiter Horst Brauer. "Es war eine angenehme Zeit", rundet Sozialamtsleiterin Birgit Rutkowski ab. Dem Rathaus als auch manchem Amt will von Fintel in Zukunft die Treue halten. Hin und wieder wolle er mal reinschauen, Rat geben und mitmachen, wenn es nötig sei, sagt der waschechte Keutschener, zu dessen Dialekt es gehört, dass Verben kein N haben. Einigkeit erhofft er sich als Grundlage für die Arbeit im Rathaus und Stadtrat.

"Ob ich Wünsche habe? Na klar", sagt der Bürgermeister ade: Die Sanierung der Kita Spatzennest und der Sekundarschule und die Wiederbelebung des Krankenhauses. "Zeit für Sport und Hobbys habe ich ja jetzt, stimmt's, Schatz?"