Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Klingel regelt das «Paradies»
HOHENMÖLSEN/MZ. - Wenn die Feierlichkeiten zum Jubiläum des Bestehens der Bildungseinrichtung in Hohenmölsen stattfinden werden, dann ist eines sicher: Der Schulleiter will keine großen Rede halten. Frank Meudtner ist kein Mann der großen Worte.
Dass er stolz auf die positive Entwicklung des jungen Hauses ist - das sieht man ihm an. Der 51-Jährige hat dafür viel in Kauf genommen, dass er heute Mathe und Physik lehrt und seit drei Jahren eines der modernsten Gymnasien des Burgenlandkreises leitet. Der Stößener hatte seinen Traumberuf studiert und sollte in die SED. "Nie im Leben", habe er geantwortet und beginnt lieber im Gleisbau zu arbeiteten. Hier ist er mit Strafgefangenen zusammen und setzt sich für den Gleisbauberuf sogar auf die Schulbank. Vier Jahre später erlebt er die Wende und fasst den Mut, sich mit seinem Lehrerabschluss zu bewerben. Ab 1991 gehört er zum Hohenmölsener Gymnasium, das damals noch eine Außenstelle in einer Baracke von Teuchern hat.
Dort arbeitet auch die Englisch- und Russisch-Lehrerin Andrea Horn. "Die Pendelei war anstrengend. Lustig dagegen, wenn wir in der Teucherner Baracke den Lehrer im Nachbarzimmer dozieren oder niesen hörten", erinnert sich die Hohenmölsenerin. Aufmerksam beobachtet sie ab 1994, wie in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung ein Neubau wächst. Ein Jahr später ist er ebenso ihr Arbeitsort wie der von Frank Meudtner.
Das Agricolagymnasium wird am 11. Oktober 1995 eröffnet. "Ich kam mir vor wie ein Fünftklässler", erinnert sich Andrea Horn. Auch die laufen am ersten Tagen auf den langen Gängen suchend umher. "Alles war nagelneu. Für Schüler und Lehrer war es das Paradies."
Im "Paradies", das der Landkreis mit 35 Millionen D-Mark damals für ein Schulzentrum, wie es eigentlich geplant war, finanzierte, arbeiten heute rund 40 Pädagogen. Andrea Horn betrachtet es noch immer als Herausforderung, in diesem Haus zu unterrichten. "Die Euphorie hat sich gelegt, aber es ist nach wie vor etwas Besonderes, ein Agricolaner zu sein", sagt die 56-Jährige. Gerade in den vergangenen 15 Jahren habe sich die Bildungseinrichtung in der Region einen guten Namen gemacht.
Dem kann Pädagogin Ines Sengewald nur zustimmen. "Ich habe nie bereut, mich für die Arbeit am Agricolagymnasium entschieden zu haben", erzählt die 49-Jährige, die zuvor an der damaligen polytechnischen Oberschule in Granschütz gearbeitet hatte. Gerade in den Anfangsjahren seien die Schüler besonders anstrengungsbereit gewesen. "Ich wünsche mir manchmal noch den Geist von damals", meint die Zorbauerin, die selbst gern in die Schule gegangen ist.
Zu den wichtigsten Ereignissen in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten zählt der Schulleiter, dass die Einrichtung 2006 das Ruder rumreißen konnte. "Der Bestand war in Gefahr geraten. Wir erlebten einen Jahrgang, in dem wir eine Sondergenehmigung brauchten", erzählt er. Den damals 48 Fünftklässlern stehen heute 82 gegenüber - und dies bei sinkenden Geburtenzahlen. "Der Schule Profil geben, ständig Klinkenputzen, für die Eltern offen sein - das gehört dazu, will man sich heute als Gymnasium behaupten", weiß Meudtner. Seit diesem Jahr ist die Einrichtung offiziell Ganztagsschule, also täglich bis nach 15 Uhr geöffnet. Jetzt nimmt jeder Fünftklässler an mindestens einem Lernangebot teil. In den sechsten Klassen sind es von 75 Schülern immerhin 66. Viele der Mädchen und Jungen kennt Christiane Sander mit Vor- und Zunamen. Die gebürtige Ascherslebenerin ist eigentlich Drucktechnikerin. Für den Beruf der Sekretärin hat sie sich noch einmal auf die Schulbank gesetzt. Seit dem ersten Tag des Agricolagymnasiums sitzt sie im Sekretariat und gilt als gute Seele des Hauses.
Die 53-Jährige schmunzelt, weiß sie doch, dass sie neben der Organisation des schultechnischen Ablaufs für nicht wenige der Mädchen und Jungen zwischen den Pausen eine wichtige Ansprechperson ist. Da stehe schon so mancher ganz gerne mal Schlange vor dem Tresen am Sekretariat. "Mal muss etwas kopiert werden, ein anderes Mal rufe ich die Eltern an, da es dem Kind nicht gut geht, dann wieder sind es Sorgen, die die Kleinen wie Großen mal loswerden wollen." Alles will sorgsam erledigt sein - bis es wieder klingelt.