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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: El Hamdolaah - Gott sei Dank

Von PETRA WOZNY 18.02.2011, 18:30

HOHENMÖLSEN/MZ. - Said Ibrahim wuselt durch das kleine Bistro. Die fahrende Küche steht in Hohenmölsen am Markt und trägt den arabischen Namen "Habiba". Hier entstehen solche Köstlichkeiten wie Falafel oder Shish-Kebab, Taok und einzigartige Knoblauchfladen.

Während Said Pfannen und Töpfe schwingt, Salate schnippelt und Gemüsebällchen frittiert, macht der Ägypter aus seinem Herzen keine Mördergrube: "El Hamdolaah, Gott sei Dank." Er schwingt den Kochlöffel zum Himmel und sieht glücklich aus. "Ich habe eine Nacht gefeiert und gebetet. Endlich ist der im ägyptischen Volk so verhasste Präsident Mubarak weg. Das Land wird seinen Weg in die Freiheit gehen", ist er sich sicher und sieht zufrieden aus.

Said Ibrahim ist Ägypter, genauer gesagt Beduine. Vor 38 Jahren wurde er auf der zu Ägypten gehörenden Halbinsel Sinai geboren. Seit fast zehn Jahren lebt er in Hohenmölsen. Er erinnert sich an seine Kindheit: "Wir lernten schnell kennen, dass wir Beduinen unter der diktatorischer Herrschaft Menschen zweiter Klasse sind", erzählt er in fließendem Deutsch. "Mit 100 Euro Monatsverdienst kommst du in einer Familie mit sieben Kindern nicht weit. Wir waren arm, haben aber auch trotz ständiger staatlicher Schikanen und der Verhaftung meines großen Bruders immer zusammengehalten."

Said hat trotz der kargen Verhältnisse in Kairo studieren können. "Logisch, dass ich mit Beginn der Demonstrationen in diesem Januar und den ersten großen Protesten jeden Abend am Fernseher gesessen und viel Bekanntes wiedergesehen habe: Straßen, Häuser, ja manchmal hatte ich das Gefühl, auch Menschen wiederzuerkennen. Ach, wie sehr habe ich mir doch gewünscht, dort unter den Demonstranten zu sein", sagt der 38-Jährige mit Leidenschaft in der Stimme. Er schreibt an seine Familie E-Mails, ruft an. Doch am Anfang der Proteste war in das ferne Land kein Durchkommen. Es habe Tage gedauert, bis Said endlich wusste, was mit seiner Familie ist. Dann ließ er sich alles erzählen. Die Läden sind geschlossen, Hamsterkäufe setzen ein, es gibt Plünderungen, die Armee hält sich zurück - Said will alles wissen. Er streicht sich über das schütter gewordene schwarze Haar und lächelt. "Ich bin Ägypter, Beduine, aber mit dem Herzen ein Hohenmölsener. Das verändert keiner mehr."

Kochen war auch nach dem Studium sein Ding. So wird er schließlich Küchenchef, dann sogar Chef eines Urlaubercamps am Roten Meer. Im September 2001 sei es gewesen, dass ihm die Touristin Jany Rosler über den Weg lief. "Nein, ich bin keiner, der jeder Touristin den Hof gemacht hat, aber Jany war etwas ganz Besonderes." Sie verliebten sich, hielten nach dem Urlaub per E-Mail Kontakt. Ein Jahr darauf lernt die Hohenmölsenerin Jany die Heimat von Said kennen. 2002 wird er nach Hohenmölsen eingeladen und erlebt wieder den endlos herrschenden Papierkrieg und die Schnüffelei in seiner damaligen Heimat Ägypten. Im gleichen Jahr heiraten die beiden in Kairo. Skeptiker habe es wohl in beiden Familien gegeben, erinnert sich Said und winkt ab: "Wir haben sie mit unserem Leben überzeugt." Said Ibrahim verlässt sein Land, lernt Kälte, Schnee und die deutsche Sprache intensiv kennen und bekommt viele neue Freunde.

Fast neun Jahre arbeitet er in einem Unternehmen des Burgenlandkreises. Im vergangenen Jahr macht er sich mit dem arabischen Bistro und einem Partyservice in der Stadt der drei Türme selbständig. Vor viereinhalb Jahren kommen die Zwillinge Rashid und Amina auf die Welt. Während der Junge jetzt beim SV Großgrimma Fußball spielt, tanzt das Mädchen bei den "Sunflowers". Mit ihnen spricht Said deutsch. "Du musst die Sprache des Landes, in dem du lebst, können, sonst kannst du dich nicht verständigen", ist seine Erfahrung. Am Abend sieht er arabisches Fernsehen. Der Hohenmölsener Ägypter lacht: "Gedanken an die Heimat sind da, zu Hause bin ich hier." Wieder rührt er in den Töpfen, aus denen es köstlich duftet. Dann nimmt er aus dem Regal ein kleines Plüschkamel und drückt ihm auf dem Bauch. Zur Feier der Tage, in denen Ägypten der Freiheit entgegen geht, erklingt auf dem Hohemölsener Markt eine arabische Weise. El Hamdollaah.