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Brauerei Gürth in Weißenfels Brauerei Gürth in Weißenfels: Den Krieg überlebt, aber nicht den Sozialismus

Von Alexander Kempf und Holger Zimmer 11.12.2017, 09:19
Die ehemalige Brauerei Gürth an der Naumburger Straße wurde vor Jahren abgerissen. Viele Kellergewölbe sind verfüllt worden.
Die ehemalige Brauerei Gürth an der Naumburger Straße wurde vor Jahren abgerissen. Viele Kellergewölbe sind verfüllt worden. Peter Lisker

Weißenfels - Unbewohnt ist das ehemalige Wirtschaftsgebäude der Brauerei Gürth in der Naumburger Straße nicht. Es gilt als Oase für Fledermäuse. Menschen aber verirren sich nur noch hierher, um Müll abzuladen. Der Altbau ist in einem beklagenswerten Zustand. Das Obergeschoss gibt es schon gar nicht mehr. Dabei soll die Weißenfelser Brauereifamilie dort einst Hof gehalten haben.

Wenn Egon Leser von dem verschwundenen oberen Stockwerk spricht, dann ist nur die Rede vom „Fass“. Innen sei der Raum nämlich mit Holz ausgekleidet und somit einem Fass nachempfunden gewesen. Der 88-jährige Weißenfelser hat dort in seiner Kindheit mit anderen Tischtennis gespielt. Denn diese Sportart sei nach dem Krieg als erste wieder erlaubt worden.

Braumeister und Betriebsleiter in der Gürth-Brauerei

„Die Brauerei Gürth stellte diesen Raum zur Verfügung, da hier Platz für zwei Tischtennisplatten vorhanden war“, erzählt Egon Leser. Es waren schöne Zeiten. „Alle gebildeten Tischtennismannschaften wollten gegen uns spielen, da es hier das beste Bier der Welt - sprich Freibier - gab“, so der Senior mit einem nostalgischen Lächeln auf den Lippen.

Barbara Hierse aus der Nähe von Hannover hat sogar noch eine Aufnahme des Gebäudes gefunden, von dem heute nur noch der untere Teil steht. Eine Freundin aus Wengelsdorf hat ihr zuvor einen Ausschnitt von dem Türen-Kalender der Mitteldeutschen Zeitung geschickt. Aus gutem Grund. Barbara Hierses Vater Erich Kern war nämlich Braumeister und Betriebsleiter in der Gürth-Brauerei.

Bau eines neuen Sudhauses

Den Bau eines neuen Sudhauses habe ihr Vater zu Ostzeiten noch erlebt, berichtet Barbara Hierse. Sieben Jahre nach dem Mauerbau folgen die Eltern dann aber ihren Kindern in den Westen. Die Brauerei ist trotz neuen Sudhauses geschlossen worden. „Eine einzigartige Fehlplanung“, nennt das Barbara Hierse. Und auch mit dem, was nach dem Abriss der Brauerei nach der Wende entstanden ist, kann sie sich nicht wirklich anfreunden.

In jedem Fall hat Weißenfels damals ein Wahrzeichen verloren. Viele ältere Stadtbewohner knüpfen noch intensive Erinnerungen an die Brauerei. In deren Kellern suchte mancher während der Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs Schutz.

Wenn die Bomber kamen, durfte sie ihre Lieblingspuppe mit hinabnehmen

Auch Annerose Lemmel ist mit ihrer Familie in die Keller hinabgestiegen. In der Naumburger Straße befand sich ein Eingang, der später zugemauert worden ist. Wenn die Bomber kamen, erzählt die 76-Jährige, durfte sie ihre Lieblingspuppe mit hinabnehmen. „Ich kann mich aber nur an die letzte Zeit erinnern“, sagt die Seniorin. Das Licht der vergitterten Lampen aber brannte sich ins Gedächtnis.

Der Haupteingang zu den Luftschutzkellern befand sich an der Ecke Naumburger Straße und Am Krug, ergänzt Egon Leser. „Der Zugang wurde aber zugeschüttet, begrünt und ist heute nicht mehr zu sehen“, so der Senior. Da die Kellerräume bei Gürths oft überfüllt waren, soll später auch die Brauerei Oettler einen weiteren gestellt haben.

Annerose Lemmel hat beide Bier-Marken noch getrunken

Annerose Lemmel hat beide Marken noch getrunken. Dass die Männer einst darüber stritten, welches besser schmeckt, versteht sie bis heute nicht. „Ich konnte da keinen wirklichen Unterschied feststellen“, sagt sie.

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