Berufsbildende Schulen Berufsbildende Schulen: Dieser Mann hat halb Weißenfels ausgebildet

Weißenfels - „Ich muss erst mal runterfahren“, sagt Rainer Ruppe und spricht dann von „seinen“ mehr als 90 Lehrern, für die in dieser Woche das neue Jahr an den Berufsbildenden Schulen des Landkreises beginnt.
Dabei ist das bevorstehende Schuljahr, zu dem mehr als 1.800 Schüler erwartet werden, eigentlich seine Sache nicht mehr. Denn nach einem Vierteljahrhundert an der Spitze der Berufsschule ist der 65-Jährige jetzt in den Ruhestand gegangen.
Rainer Ruppe hat die Berufsausbildung in Weißenfels über 25 Jahre geprägt
Wenn es jemanden gibt, dessen Name auf besondere Weise mit der Entwicklung der Berufsausbildung in den letzten 25 Jahre verbunden ist, dann ist es zweifellos der bodenständige Langendorfer, dessen Bildungsweg einst im hiesigen Goethegymnasium begann. „Wir haben die berufliche Bildung völlig neu aufgestellt“, blickt er heute zurück.
Die Wucht des gesellschaftlichen Umbruchs sollte 1990/91 auch ihn voll treffen. „Ich habe meine Kollegen damals davon überzeugt, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen“, erinnert sich Ruppe.
Die Kollegen wählen ihn zum Direktor der Weißenfelser Ingenieurschule für Lederverarbeitungstechnik, deren Zeit im Juli 1991 jedoch abläuft. Vergeblich bemüht man sich daraufhin, die Saalestadt als Standort einer Fachhochschule zu etablieren. Schließlich wird es im August 1991 eine Fachschule für Wirtschaft und Technik.
Rainer Ruppe aus Langendorf hat sich bereits zu DDR-Zeiten in der Forschung verdient gemacht
Mit Rainer Ruppe steht ein Mann an der Spitze, der sich bereits zu DDR-Zeiten in der Forschung verdient gemacht hat. „Ich hatte meine Liebe zur Forschung entdeckt“, erzählt der Langendorfer, der auf dem Gebiet der Plasma- und Schalttechnik promoviert hat. Noch heute ist er ein wenig stolz darauf, dass er in den 70er Jahren gemeinsam in einem Team als damalige Weltneuheit eine frei programmierbare Nähmaschine entwickelt hat, die 1978 auf der Herbstmesse in Leipzig vorgestellt wurde.
Ein Handelsembargo in der Zeit des Kalten Krieges verhinderte damals die Vollendung. Ein mit verfügbarer DDR-Technik ausgestatteter Nähautomat steht heute im Weißenfelser Museum auf dem Schloss. Später, Mitte der 80er, baut Ruppe das erste Weiterbildungszentrum der Leichtindustrie für Mikrorechen- und Automatisierungstechnik in der DDR mit auf.
Nach der Wende begann für Rainer Ruppe eine neue spannende Zeit
Nach der Wende sollte die Fachschule für Wirtschaft und Technik nur ein Jahr Bestand haben. Fast auf den Tag genau vor 25 Jahren schließen sich mehrere Bildungseinrichtungen zur Berufsbildenden Schule Weißenfels zusammen - mit dem Hauptstandort in der Tagewerbener Straße und Rainer Ruppe an vorderster Stelle.
Wieder beginnt für den Chef eine spannende Zeit, in die auch Neubau und Sanierung des Schulstandortes in der Tagewerbener Straße fallen.
Als sich Rainer Ruppe zum Ende des vergangenen Berufsschuljahres offiziell von seinen Kollegen verabschiedet, da hat er - wie immer ganz korrekt - einige Zahlen parat. Die menschlichen Herausforderungen dahinter lassen sich freilich nur erahnen.
Berufsbildende Schulen Weißenfels: Leiter Rainer Ruppe hat 5.000 Prüfungen abgenommen
So sind im vergangenen Vierteljahrhundert im heutigen Burgenlandkreis 15 Standorte der Berufsausbildung geschlossen worden. Heute gibt es eine Berufsbildende Schule mit vier Standorten. Oder: In der gesamten Zeit sind laut Ruppe 32 Bildungsgänge abgewickelt worden, auf der anderen Seite kamen 29 neu hinzu, so zum Beispiel der Lebensmitteltechniker. „Wir haben uns immer wieder dem Markt angepasst“, sagt der Langzeit-Chef, dessen Bilanz im Zeitraffer Eindruck hinterlässt: Mehr als 300 Lehrer und Mitarbeiter standen unter seiner Leitung, mehr als 5.000 Prüfungen hat er abgenommen und mehr als 15.000 Abschlusszeugnisse geprüft.
Nun also geht er von Bord. Nun kann sich der verheiratete Vater zweier erwachsener Söhne mehr seiner Vorliebe, dem Wandern oder Skifahren in den Bergen, widmen. Doch blickt er nach vorn, wird schnell klar: So ganz kann er noch nicht aus seiner Haut.
Im Bildungsausschuss der Industrie- und Handelskammer will er ebenso weiter mitmischen wie im Förderverein berufliche Bildung des Burgenlandkreises. „Die jungen Leute brauchen eine berufliche Perspektive in der Region“, sagt er - und lässt ahnen, dass der Chef a.D. noch ein Weilchen brauchen wird, um wirklich runterzufahren. (mz)