Barockhaus Klosterstraße Barockhaus Klosterstraße Weißenfels: Riesen-Postkarten erzählen Geschichten

Weißenfels - Trotz 34 Jahren Leerstand steht das Barockhaus an der Ecke Klosterstraße/Marienkirchgasse noch. Und es ist ein echter Hingucker, weil derzeit im Parterre überdimensionale Bilder zu sehen sind. Eine alte Bauzeichnung stammt aus dem Jahr 1860, die im Landratsamt erhalten geblieben ist, aber auch zwei alte Fotos fanden auf Planen ihren Platz. Die Bilder stammen aus den Jahren 1890 und 1920. Das ältere hat Olaf Brückner, der Vorsitzende des Klostervereins, bei Ebay ersteigert.
Hauseigentümer André von Grzymala (53) zeigt auf Vorbesitzer Emil Kirchberg und aus einem oberen Fenstern schauen offenbar seine Frau und die Schwiegermutter. So jedenfalls mutmaßt der neue Hausherr, der das Gebäude mit seiner Frau vor dem Aus bewahrt hat.
Barockhaus Weißenfels: Hüte, Mützen, Schirme, Pelz- und Filzwaren
Auf der Hausfront ist zu lesen: Hüte, Mützen, Schirme, Pelz- und Filzwaren. Darunter befinden sich zwei Schaufenster. Über der Tür sind weitere Buchstaben zu entziffern: Einen Clubraum gab es demnach hier in DDR-Zeiten. Und darüber ist der Name von Kirchberg verewigt.
Das zweite Foto zeigt den Blick in die Marienkirchgasse. Auf der rechten Ecke steht noch ein inzwischen abgerissenes Haus und ebenfalls sind der Kirchturm und das Eckhaus „An der Marienkirche“ zu sehen. Die alten Schaufenster werden übrigens in Absprache mit dem Denkmalschutz verschwinden und durch in Weißenfels übliche barocke Fensterformen ersetzt. Eingebaut wird aber eine sogenannte Lade, die aus dem 18. Jahrhundert stammt und über die Ware und Geld ihren Besitzer wechselten.
Barockhaus Weißenfels: „Wir haben uns bewusst für dieses Haus entschieden“
„Wir haben uns bewusst für dieses Haus entschieden“, sagt André von Grzymala. Immerhin zeugt es von der Geschichte der Stadt , die man - soweit noch vorhanden - erhalten muss. Damit funkt er auf einer Wellenlänge mit jenen Enthusiasten, die schon vor fast 20 Jahren versuchten, die historische Bausubstanz zu erhalten, damals aber wenig Gehör fanden. Das Ehepaar, dessen Kinder aus dem Haus sind und studieren, will sich nach und nach vom dörflichen Leben verabschieden. Das hatte den Kindern einst Ruhe beschert, doch älter wollen Grzymalas in der Stadt werden, in der man zu Fuß zum Einkaufen kommt, in eine Gaststätte oder zu Kulturveranstaltungen gehen kann.
Oft fehlt das auf dem Lande. In zwei, drei Jahren soll der Umzug erfolgen. Dachstuhl und Dach sind instand gesetzt und damit weiterer Verfall gestoppt. Auch die Böden der Zwischengeschosse sind gesichert und morsche Balken ausgetauscht worden. Am Ende soll im Innenhof jener Laubengang wieder aufgebaut werden, der vor 290 Jahren errichtet worden war.
Barockhaus Weißenfels: „Es ist ein Haus voller Überraschungen“
„Es ist ein Haus voller Überraschungen“, sagt der 53-jährige Bauherr. So haben sich unter den Dielen Fotoplatten mit Aufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg angefunden. Im Keller, in dem man nur gebückt stehen kann, lagerten alte Weinflaschen mit Glasverschlüssen. Und bei der Beseitigung des losen Mauerwerks an einer Esse stieß man auf ein verrostetes Metallkästchen. Darin fand sich Papiergeld in Millionenhöhe aus der Zeit der Inflation. Auf einem Schreiben, auf dem die Jahreszahl 1923 stand, hieß es: „Wir leben in einer Zeit, da sind alle Millionäre, aber keiner wird satt.“
Inzwischen können Grzymalas mit ihren Fundstücken schon eine Vitrine bestücken. Dazu gehören auch die alten Postkarten, deren Vergrößerungen nun das Haus zieren. Eine ist beschrieben und die mit Emil Kirchberg hat zusätzlichen Seltenheitswert. Der Hutmacher hat sie offensichtlich von seinem Geschäft anfertigen lassen, um sie als Werbematerial zu verschenken oder für wenige Pfennige zu verkaufen. (mz)