1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Babyklappen haben eine Chance

Babyklappen haben eine Chance

Von Torsten Gerbank 08.08.2008, 18:05

Weißenfels/MZ. - Es war im Mai 2007. Da wurde ein Säugling auf der Treppe der katholischen Kirche in der Weißenfelser Friedensstraße abgelegt. Die Mutter klingelte noch beim Pfarrer und verschwand. Das Mädchen Christina lebt heute bei einer Naumburg Pflegefamilie. Von der Mutter fehlt noch jede Spur.

15 Monate später ein zweiter Fall in der Stadt: Ein Wachmann entdeckt das Findelkind Kirstin in der Nacht zum Dienstag vor der Asklepios-Klinik in der Naumburger Straße. Die Polizei findet die Mutter binnen 63 Stunden. Beide Fälle haben eine Gemeinsamkeit: Mütter handelten offenbar aus Verzweiflung und wollten, dass ihre ausgesetzten Kinder sicher und schnell gefunden werden, damit sie keinen gesundheitlichen Schaden erleiden. Wahrscheinlich hätten die Frauen auch das Angebot einer Babyklappe genutzt. Es gibt sie hierzulande aber nicht. Dass sich dieser Zustand ändern könnte, bestätigten am Freitag die Geschäftsführer der im Burgenlandkreis ansässigen Kliniken. "Wir denken darüber nach", sagte Gerd Holland, Geschäftsführer der Klinikum Burgenlandkreis GmbH, zu der Krankenhäuser in Zeitz und Naumburg gehören. Persönlich habe Holland aber noch keine eindeutige Meinung zu dieser Problematik. Die Frage sei, ob man mit Babyklappen Probleme löse.

Uwe Bauer, Geschäftsführer des Asklepios-Klinikums Weißenfels, erklärte ebenfalls, dass man einer Babyklappe nicht abweisend gegenüberstehe. Es müsse darüber gesprochen werden. Wenn man sich zu ihrer Einrichtung entschließe, müssten rechtliche Fragen geklärt werden. Außerdem müsse sicher sein, dass Mütter die Klappen völlig anonym nutzen können. Eindeutig auch die Meinung aus dem Polizeirevier Burgenlandkreis: "Wir stehen Babyklappen positiv gegenüber", sagte Kriminaldirektor Ralf Klingler. Er ist Chef im Revier und meint, dass es allemal besser sei, einen Säugling in eine Babyklappe zu legen als dort auszusetzen, wo Hilfe ausgeschlossen sei oder sie nur durch Zufall komme. Aber: "Wenn Babyklappen dazu führen, dass Menschen zu leichtfertig mit ihnen umgehen, sollte man die Finger davon lassen."

Die Gefahr der Leichtfertigkeit scheint allerdings eher gering zu sein. Nach Angaben einer Sprecherin des Ministeriums für Gesundheit und Soziales in Sachsen-Anhalt gibt es im Land derzeit drei Babyklappen: seit 2006 im St. Marienstift Magdeburg, seit 2002 im Städtischen Klinikum Dessau und seit 2001 im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle. In den beiden erstgenannten Häusern sind laut Ministerium bislang drei Kinder abgegeben worden, aus Halle gebe es keine Zahlen. Aus Ministeriumssicht sind Babyklappen "ein wichtiger Bestandteil eines großen Netzwerkes aus Hilfsangeboten für Kinder und Familien in Sachsen-Anhalt". Der jüngste Fall von Kindesaussetzung in Weißenfels mache deutlich, dass sie notwendig seien. "Frauen, die sich nicht in der Lage sehen, ihr Kind zu behalten, dürfen in ihrer Not nicht alleingelassen werden." Es sei keine Schande, sein Kind in eine Babyklappe zu legen. "Wenn so Leben gerettet werden kann, ist es sogar lobenswert", so Ministeriumssprecherin Jeanette Tandel. Seite 2