Ausländerwohnheim Zeitz Ausländerwohnheim Zeitz: Ungeziefer plagt Bewohner

Kakerlaken krabbeln durchs Haus, Abdichtungen zwischen Schachtsystem und Wohnräumen sind kaputt, altes Mobiliar, schmutzige Matratzen und Decken stapeln sich in einigen Räumen. Katastrophale hygienische Zustände haben Kontrolleure des Landesverwaltungsamtes bei einer unangekündigten Inspektion im Ausländerwohnheim in Zeitz am 28. August vorgefunden. „Gegenüber der letzten Kontrolle im Mai hatten sich die Zustände drastisch verschlechtert“, sagte die Pressesprecherin des Landesverwaltungsamtes Denise Vopel auf Nachfrage der MZ. Die Konsequenz: Der Betreiber, die Firma KVW-Beherbergungsbetrieb GmbH, bekam zahlreiche Auflagen.
Ausländerwohnheime werden meist von privaten Firmen im Auftrag der Kommunen betrieben. Im konkreten Fall von Zeitz ist die KVW-Beherbergungsbetrieb GmbH Eigentümerin der Immobilie. Der Landkreis, der für die Unterbringung der Asylbewerber zuständig ist, hat das Gebäude gemietet. Den laufenden Betrieb hat der Burgenlandkreis wiederum an eine Betreibergesellschaft gegeben, die letztlich auch im Besitz der KVW von Karl Wiesemann ist. Der Landkreis zahlt an die eine Gesellschaft monatlich 12 000 Euro Miete und an die andere 9 000 Euro für den laufenden Betrieb.
Bis 2011 betrieb der Landkreis Ausländerwohnheime in Zeitz und Weißenfels. Das Weißenfelser wurde geschlossen, bis auf wenige Ausnahmen zogen die damaligen Bewohner nach Zeitz. Einige blieben in Wohnungen in Weißenfels. Der Umzug war damals stark umstritten.
Geschockt von den Missständen zeigte sich Landrat Harri Reiche (parteilos). Er räumt aber auch ein, dass der Landkreis als Mieter des Objekts und letztlich verantwortlich für die Unterbringung der Asylbewerber, seine Kontrollpflichten nicht ernst genug genommen hat. Seit die Missstände bekannt geworden sind, schickt der Landkreis nun regelmäßig Kontrollen aus Ordnungs- und Gesundheitsamt hin. „Bis zum Ende dieser Woche müssen kurzfristig Auflagen erfüllt werden, das habe ich dem Betreiber deutlich gesagt“, so Reiche. 21?000 Euro zahlt der Landkreis monatlich an die Firma von Karl Wiesemann, der gestern bei einem weiteren Vororttermin, der auf Initiative der MZ zustande kam, auch dabei war.
Viele der befragten Bewohner berichten von Schaben, die sie in den zurückliegenden Wochen entdeckt hatten. Hassan Khodeda sagt, noch vorgestern habe er eine in den Räumen gefunden, die der Syrer mit Frau und drei Kindern bewohnt. Aber sehen geht ja noch, einmal habe er eine in der Milch gefunden, die er fürs sechs Monate alte Baby warm machen wollte.
Zu den sofort zu erfüllenden Auflagen gehört laut Landesverwaltungsamt die komplette Sanierung des Schachtsystems im Gebäude, um sie gegen die bewohnten Räume abzudichten. Außerdem eine umfassende Ungezieferbekämpfung und Desinfizierung aller Räume, die Sanierung der Küchen und die Entfernung von altem Mobiliar und sonstigen Gegenständen. Die waren nicht zuletzt durch das Hochwasser der Elster im Juni in Mitleidenschaft gezogen, dann aber wieder ins Haus geräumt worden. „Ohne Desinfektion“, wie Landrat Reiche feststellt. Nebenbei habe man auch entdeckt, dass eine sechsköpfige Familie in einem Zimmer untergebracht war, das für drei Personen vorgesehen ist.
Schon zu sehen sind die neu gebauten Versorgungsschächte, die laut Schädlingsbekämpfer Eduard Meyer geradezu „Fahrstühle“ für das Ungeziefer waren. Hier können die Schaben nun nicht mehr rauskrabbeln. Nasiba Bilalova aus Dagestan hat so einen mit Gipskarton verkleideten Schacht bei sich im Zimmer. Sie sagt aber auch, Schaben habe es bei ihr nicht gegeben.
Andere hatten Schaben im Zimmer. So erzählt Alija Ferhatovic, der mit seiner Frau Hazira ein Zimmer teilt, dass sie eine im Zimmer gesehen hätten. Sie hätten der Leiterin Bescheid gegeben, die erst selbst sprühte, dann dem Schädlingsbekämpfer Bescheid gesagt habe. Das ist Eduard Meyer und der sagt: Wo eine Schabe auftauche, seien unzählige, die nicht zu sehen sind. Drei extrem befallene Räume, wo mehr als 20?Schaben aufgetaucht waren, habe es gegeben. Er habe sie mit Gas behandelt, die Bewohner waren derweil umquartiert. Nun setze er immer wieder nach mit der Bekämpfung. Außerdem hat er ein Infoblatt mit Verhaltenshinweisen verfasst. Die Heimleitung wird mehr Kontrollen durchführen. Dies entspricht den längerfristigen Auflagen, die der Betreiber zu erfüllen hat.
Die KVW-Beherbergungsbetrieb GmbH ist nicht zum ersten Mal in den Schlagzeilen. Sie hatte auch das Ausländerwohnheim in Möhlau bei Wittenberg betrieben, das letzten Dezember wegen unhaltbarer Zustände geschlossen wurde. In dem Zusammenhang tobt noch eine Rechtsschlacht zwischen Wiesemann und dem Landkreis Wittenberg. Hintergrund ist, dass Wiesemann einerseits dort wie in Zeitz Immobilienbesitzer ist, andererseits eine von seinem Sohn geleitete Firma als Betreiber auftritt. Weil der Landkreis Wittenberg als Mieter die Räume nicht im Ursprungszustand an Wiesemann zurückgegeben hat, will der nun 2,5 Millionen Euro vom Kreis, was möglicherweise als Verfahren vor Gericht landet . Als der Betrieb des Zeitzer Heims ab 2011 neu vergeben wurde, war die umstrittene und von verschiedenen Seiten kritisierte Rolle der KVW in Möhlau schon einmal öffentliches Thema. Zu dem Zeitpunkt war sie schon seit Jahren Betreiber in Zeitz. Die Firma bekam erneut den Zuschlag. Einmal des günstigen Angebotes wegen und zum anderen, „weil wir damals keine Erkenntnisse über gravierende negative Vorfälle hatten, die uns hätten veranlassen können, die Firma aus dem Vergabeverfahren auszuschließen“, erklärte Landrat Reiche.

