Architektur in Hohenmölsen Architektur in Hohenmölsen: Wie in Hamburg!

HOHENMÖLSEN/HALLE (Saale) - Die müssen verwandt sein! - Das ist der überraschende Gedanke, der einem durch den Kopf geht, wenn man Bilder vom Haus an der Ecke Linden- und Oststraße von Hohenmölsen und dem Chilehaus in Hamburg nebeneinanderstellt. Doch während das Hamburger Gebäude gerade zu einem Teil des neuen Weltkulturerbes in der Hansestadt wurde, nimmt man die Ungewöhnlichkeit des Hohenmölsener Hauses kaum wahr.
Das kann sich aber ändern. Zum Beispiel, indem mehr über das Haus in „städtebaulich exponierter Ecklage“, wie es beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie von Sachsen-Anhalt heißt, bekannt wird. Dort wurde der Gebäudekomplex im August zum „Denkmal des Monats“ gemacht. Marina Meincke-Floßfeder, die Gebietskonservatorin für den östlichen Burgenlandkreis ist, hat Informationen zum Hohenmölsener Häuserkomplex zusammengetragen.
So hat sie herausgefunden, dass es auf den Architekten Fritz Doelling zurückgeht. Der war damals beim Kreisbauamt Weißenfels angestellt und plante kommunale Gebäude, darunter mehrere Mehrfamilienhäuser. Deren Auffälligstes ist das in Hohenmölsen, das 1927 gebaut wurde.
Wie das Chilehaus in Hamburg besteht dieser Gebäudekomplex aus einer dunklen Backsteinfassade. In beiden Fällen ist außerdem das Eckgebäude das einprägsamste und höchste, an das sich beidseits Wohnhäuser anschließen. In Hohenmölsen gehören sowohl die jeweils dreigeschossigen Anschlussbauten, als auch die danach folgenden Zweigeschosser mit Mansardendächern zum Baukomplex. Wie in Hamburg ist die Fassade des Eckhauses zurückgesetzt.
Dreiecke als typische Gestaltung
Auch ungewöhnlich ist am Hohenmölsener Gebäudekomplex die Verzierung. Einerseits über und an den Türen der kleineren Häuser, andererseits – und am augenfälligsten – am Dach des Wohnturms. Typisch für den Stil des Expressionismus in der Architektur sei die Betonung des Dreiecks, sagt Marina Meincke-Floßfeder. Dreiecke, wie sie im Dachaufbau am Hohenmölsener Eckhaus besonders zur Geltung kommen.
Auch in Teuchern steht ein größerer expressionistischer Bau – und zwar in der Bahnstraße 69 bis 77 (im Bild). Wie der Hohenmölsener Gebäudekomplex ist auch der 1927 von Fritz Doelling geplant worden. Genau wie er weist er Klinkerelemente an der Fassade auf. Marina Meincke-Floßfeder vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie sagt, dass das Gebäude wesentlich schlichter sei als das an der auffälligen Straßenecke in Hohenmölsen.
Auf Fritz Doelling geht außerdem ein Mehrfamilienhaus im Hohenmölsener Ortsteil Wählitz zurück. In der dortigen Webauer Straße 10/11 besteht der untere Teil des Haues aus Klinker, der obere Teil aus Backstein.
Ein großer Unterschied zwischen Hamburg und Hohenmölsen ist die Ecke selbst. Die Straßenecke in Hohenmölsen ist mit ihrem 90-Grad-Winkel gefälliger und normaler als der eigentlich für Planer undankbare spitze Winkel in Hamburg. Die Ecke in Hohenmölsen ist weniger extrem und die Gebäude sind es auch. Marina Meincke-Floßfeder sagt denn auch: „Um die Bürger nicht vor den Kopf zu stoßen, ist das Hohenmölsener Haus sowohl modern als auch am Heimatstil angelehnt.“
Architekt mit Gespür für Mischung
Sie erklärt, dass damals die Trends, auch die architektonischen, aus den großen Städten eine Weile brauchten, um in ländlichere Gebiete anzukommen. Architekt Doelling hat seinerseits offenbar ein Gespür dafür gehabt, wie er diesen modernen Baustil – wie Klinker, Dreiecke, Dachaufbau, Deko-Elemente – mit den damaligen Erwartungen hiesiger Bürger und Ratsmitglieder zusammenbringt. Schließlich blieb es nicht bei diesem einen am Backsteinexpressionismus orientierten Gebäude im Kreisgebiet. (mz)
