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José Rosello Als Vertragsarbeiter in die DDR: Kubaner mietet Schrebergarten

Von Janine Friedrich 09.03.2019, 14:00
José Rosello kam aus Kuba und fühlt sich in seinem Schrebergarten in Weißenfels wohl.
José Rosello kam aus Kuba und fühlt sich in seinem Schrebergarten in Weißenfels wohl. Peter Lisker

Weißenfels - „Ich werde auf Arbeit nur Fidel genannt“, grinst José Rosello mit einem breiten Zahnpastalächeln und scheint sich wenig an seinem Spitznamen zu stören. Dabei trägt der in Kuba geborene 62-Jährige keinen zotteligen Bart und auch keine olivgrüne Uniform. Damit spielt der auf den damalige Revolutionär und Gründer des ersten sozialistischen Staates in Lateinamerika, Fidel Castro, an.

José Rosello sitzt in seinem Schrebergarten in Weißenfels mit einer eleganten Schiebermütze und bereitet sich wie viele andere Pächter in der Anlage „Erholung“ auf den Frühling vor, indem er den Boden auflockert, Unkraut zupft und Rasen mäht. Als einer von 90 000 ausländischen Vertragsarbeitern kam er 1979 in die DDR und nach Zeitz. Dort sollte er eine Ausbildung erhalten, um dann als qualifizierter Produktionsarbeiter im sozialistischen Bruderland Kuba wieder eingesetzt zu werden.

Gelernt in der DDR

„Ich war Dreher bei der Zemag“, sagt Rosello stolz, der solides Deutsch mit einem spanischen und einem überraschend dominierenden sächsischen Akzent spricht. Als volkseigener Betrieb der DDR wurden bei der Zemag Brikettfabriken, Kohleanlagen für Kraftwerke sowie Granulieranlagen für Kalisalz gebaut. Später wurden auch Baufahrzeuge in die Produktion aufgenommen. An Drehmaschinen und mit diversen Werkzeugen bearbeitete José Rosello die benötigten Ersatzteile für Verbrennungsanlagen, die dann in der damaligen Sowjetunion eingesetzt wurden.

Rosello war so gut, dass er nach erfolgreicher Ausbildung als einer von fünf Auszubildenden nach vier Jahren den Meister machen sollte. Auf diese Weise hätte er helfen können, seine kubanischen Kollegen auszubilden, die in kürzester Zeit einen Beruf und die neue Sprache lernen mussten. Damit sollte den angehenden Azubis der Einstieg in die Arbeitswelt erleichtert werden.

Von Kuba nach Weißenfels

Allerdings musste er die Qualifizierung nach zweieinhalb Jahren wieder abbrechen. Die kubanische Regierung beorderte ihn 1986 zurück nach Kuba. „Nachdem ich so weit gekommen war, wollte ich unbedingt meinen Meister zu Ende machen. Ich habe alles versucht, um in Zeitz bleiben zu können, aber es war nicht möglich“, sagt Rosello in einem leicht wütenden Ton. Mit seiner deutschen Frau, die ihm damals die Sprache beibrachte, und den zwei kleinen Kindern ging die Familie wieder zurück in Rosellos Heimatland Kuba, wo sie bis 1992 lebten.

Der ausgebildete Dreher konnte die Kenntnisse in Kuba einsetzen, seine Frau fand Arbeit als Dolmetscherin. „Wir bauten ein Haus in der Nähe meiner Familie und hatten anfangs ein gutes Leben. Wir konnten jedoch den mittlerweile drei Kindern nicht genug bieten“, schildert Rosello. Auch die in den 1960er Jahren verhängten Handelssanktionen der USA trugen immer noch zu den eingeschränkten Lebensverhältnissen bei. Die Rosellos kehrten nach der Wiedervereinigung wieder nach Sachsen-Anhalt zurück. In Weißenfels nahm er verschiedene Jobs an, heute arbeitet er als Produktionshelfer. Seine Frau ist Erzieherin in einem integrativen Kindergarten. „Ich fühle mich wohl in Weißenfels, habe Freunde. Ich habe nie Probleme gehabt.

Kubaner mit deutscher Art

Seit der Flüchtlingswelle kommt es mir plötzlich vor, dass ich wegen meinem Akzent als Ausländer abgestempelt werde“, schildert Rosello, der diese Vorurteile ihm gegenüber mit Humor nimmt und glaubt, dass es vor allem mit der Politikverdrossenheit der Bürger zu tun hat. Angesprochen auf seine erste Zeit in Deutschland muss er vor allem an die kalten Temperaturen denken. „Ich dachte, ,du bist verrückt‘. Das ist ja wie in einem Kühlschrank hier“, lacht José Rosello, der anfangs auch mit der zurückhaltenden Art der Deutschen haderte. Nun sagt er: „Heute nervt es mich, wenn jemand zu temperamentvoll und laut ist.“

(mz)