Erkenntnisse im Dunkeln Stromausfall auf dem Schloss Allstedt: Schüler und EnviaM studieren Folgen eines Blackouts

Allstedt - Im Stuhlkreis sitzen die Schüler im schummerigen Halbdunkel der Hofstube. Strom? Gibt’s nicht. „Blackout: Das Licht bleibt aus!“ - so heißt das Projekt, das am Mittwoch zum ersten Mal auf Burg und Schloss Allstedt läuft.
Das Energieunternehmen EnviaM bietet den Erlebnistag für Schulklassen schon seit vier Jahren an, bisher vor allem in Industriegebäuden wie einem ehemaligen Wasserwerk und einer früheren Brikettfabrik. „Wir wollen die Schüler aus ihren Klassenräumen rausholen“, sagt Susanne Weiß, die sich bei EnviaM um Schulprojekte kümmert.
Burg & Schloss Allstedt: Perfekte Kulisse für den Stromausfall
Mit Burg & Schloss Allstedt hat man jetzt ein Objekt gefunden, das sogar auf besondere Weise zum Thema Stromausfall passt. Schließlich musste man hier jahrhundertelang ohne Energie aus der Steckdose auskommen. Mit dem Standort wolle man vor allem Schulklassen aus dem nahen Thüringen ansprechen, sagt Weiß.
In der Regelschule Bad Frankenhausen stieß das Angebot sofort auf Interesse. Eine neunte Klasse und sechs Zehntklässler, die das Wahlpflichtfach Natur und Technik belegt haben, sitzen an diesem Mittwochvormittag im Halbdunkel und überlegen gemeinsam, was ein tagelanger Stromausfall für Folgen hätte.
Zum Beispiel kommen die Menschen nicht mehr an ihr Geld, weil die Automaten nicht mehr funktionieren. „Was machen die Leute?“, fragt Ronald Hübner, der den Tag als Dozent begleitet. Paul hat eine Idee: „Wenn’s geht, Dinge tauschen.“ Hübner nickt. Kann klappen, wenn zwei das jeweils Passende anbieten und suchen.
Weltweiter Stromausfall: Wie geht man mit einem Blackout um?
Familien werden losziehen und versuchen, sich für die nächsten Tage noch mit Wasser und Lebensmitteln einzudecken. Zuhause werden alle möglichst in einem Raum zusammenrücken, weil auch die Heizkraftwerke ausfallen. Wohl dem, der dann einen Kamin anheizen kann.
So ein Totalausfall über längere Zeit wirft aber auch ethische Fragen auf. „Ihr habt vielleicht Glück und Vorräte zu Hause, die Nachbarn aber nicht. Ist man nach fünf Tagen, wenn alles knapp wird, noch hilfsbereit und spendierfreudig?“, fragt Hübner.
Und schon geht es thematisch weiter ins Krankenhaus. Dort werden Strom und Kräfte nur noch für die Schwerverletzten auf der Intensivstation reichen. Also muss jemand entscheiden, welche Abteilungen man abschaltet und welche Patienten und Hilfesuchenden man nach Hause schickt. Auch die Klärwerke werden ausfallen, wenn die strombetriebene Lüftung nicht mehr funktioniert und die Bakterien in den Klärbecken absterben.
Leben ohne Strom: Überleben in einer Krisensituation
Stück für Stück wird den Schülern klar, wie sehr ihr komplettes Leben von einer funktionierenden Stromversorgung abhängt. Und dass man auf einen längeren Ausfall vorbereitet sein sollte. Hübner packt seinen „Überlebensrucksack“ aus: Brennpaste in kleinen Dosen, mit der man für Wärme sorgen kann. Natürlich Kerzen und Streichhölzer. Und ein Wasseraufbereitungsmittel aus der Drogerie, mit dem man sicheres Trinkwasser herstellen kann. Davon abgesehen sollte jeder einen Wasservorrat im Keller haben, rät er.
„Früher war sowas Thema im Fach Zivilverteidigung. Heute steht es gar nicht mehr auf dem Lehrplan, dabei gehört es da eigentlich dringend wieder hin“, meint Lehrerin Ramona Schmidt. Viele Schüler wären in einer Krisensituation völlig ratlos, schätzt sie ein. „Die Kinder aus den Dörfern wissen sich noch am ehesten zu helfen“, hat sie beim Projekttag beobachtet.
Der geht für die Jugendlichen mit Rollenspielen weiter. Wer verhält sich wie im Krankenhaus, auf der Polizeistation, in der Familie? Für den Spaß steht noch Schwarzlicht-Tischtennis im Finstern auf dem Programm.
In der Mittagspause aber offenbart Burg Allstedt beste Voraussetzungen, um einen längeren Stromausfall zu überstehen: In der mittelalterlichen Hofküche knistern dicke Holzscheite auf der Feuerstelle und im Backofen. Die Schüler formen Brötchenteig, schnippeln Gemüse, rühren im Kessel und kochen mit Sonja Becker Käsesuppe nach Luthers Rezept - ohne eine Kilowattstunde. So ein Blackout kann eben ausnahmsweise auch mal lecker sein. (mz)