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Streik der Lokführer Streik der Lokführer: Fahrgäste in Sangerhausen waren gut informiert

Von Beate Lindner 15.10.2014, 17:45
Das Hinweisplakat zum Streik enthält nur allgemeingültige Informationen.
Das Hinweisplakat zum Streik enthält nur allgemeingültige Informationen. Maik Schumann Lizenz

Sangerhausen - Es war abzusehen, dass auf dem Sangerhäuser Bahnhof trotz des Streiks der Lokführer keine Totenstille herrscht. Denn auf dem Sangerhäuser Bahnhof beherrschen derzeit ohnehin die Baugeräusche das Geschehen. Und am Gleis 1 zeichnet sich bereits ab, wie das nach der Sanierung mal aussehen wird. Aber das war am Mittwoch nicht das Thema.

Im grünen Bereich

Es ist Mittwochvormittag. Dorit Gill, die Chefin des Reisecenters im Bahnhofsgebäude, kann nicht sagen, dass irgend etwas anders ist als sonst mittwochs. Noch werde ja auch nicht gestreikt. Angekündigt ist das für 14 Uhr bis zum nächsten Morgen 4 Uhr.

„Vielleicht sind heute ein paar Pendler weniger gekommen und stattdessen mit dem Auto gefahren, aber ansonsten ist alles wie gehabt.“ Die paar Reisenden, die derzeit in Sangerhausen eine Fahrkarte kaufen, sind mit großem Gepäck unterwegs und kaufen nur eine einfach Fahrkarte. Die Leute, so die Chefin vom Reisecenter, seien ganz gut informiert. Das war wohl auch letzte Woche schon so. Was nun am Nachmittag ganz konkret in Sangerhausen passiert oder eben nicht mehr, wenn der angekündigte Streik beginnt, da muss sich auch Dorit Gill überraschen lassen.

Kein Hochbetrieb

Mittagszeit. Auch auf dem Sangerhäuser Bahnhof. Wenig Wartende. Alles völlig unaufgeregt. In zwei Stunden soll der Streik beginnen, davon ist auf dem Sangerhäuser Bahnhof wirklich noch nichts zu spüren. Die Taxifahrer vor dem Bahnhofsgebäude machen sich auch keine falschen Hoffnungen. Generell sei es nicht so, dass die Taxiunternehmen von den Streiks großartig profitieren. Sagt zum Beispiel Dirk Wiedemann, der in Sangerhausen ansässig ist.

Die Deutsche Bahn richtet eine kostenlose Hotline ein. Unter der Telefonnummer 08000-996633 können sich Bahnfahrer über Zugausfälle und Verspätungen informieren. Zusätzlich können sich Bahnreisende auf der Seite www.bahn.de/aktuell informieren. Meldungen für Ausfälle in NRW finden Reisende hier, für Sachsen-Anhalt hier. Die Bahn rät zusätzlich, kurz vor Beginn der Fahrt den DB-Navigator aufzurufen unter reiseauskunft.bahn.de.

Ja. Bei einer Stunde Verspätung muss das verantwortliche Bahnunternehmen 25 Prozent des Fahrpreises erstatten. Bei zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent. Maßgeblich ist dabei immer die Ankunftszeit am Zielort: Verpasst ein Bahnkunde durch die nur fünfminütige Verspätung eines ersten Zuges seinen Anschluss, so dass er erst nach einer Stunde am Ziel anlangt, erhält er eine Entschädigung in Höhe von 25 Prozent des Fahrpreises. Wird eine Übernachtung nötig, muss die Bahn die Kosten für ein Hotelzimmer tragen. Der Aufpreis für den ICE-Sprinter wird schon ab 30 Minuten Verspätung des Sprinters erstattet.

Besitzer von Streckenzeitkarten erhalten bei Verspätungen von einer Stunde und mehr pauschale Entschädigungen. Bei Zeitkarten im Nahverkehr gibt es in der zweiten Klasse 1,50 Euro. Dabei gilt allerdings eine Bagatellgrenze von vier Euro. Bahn-Kunden mit Zeitkarten im Nahverkehr erhalten also nur eine Entschädigung, wenn mindestens drei Verspätungen von mindestens 60 Minuten im Gültigkeitszeitraum der Fahrkarte nachgewiesen werden. Grundsätzlich werden bei Zeitkarten maximal 25 Prozent des Fahrkartenwertes erstattet. Im Fernverkehr werden pauschal fünf Euro gezahlt.

Zeichnet sich eine Verspätung von mehr als einer Stunde ab, kann der Reisende auf die Fahrt verzichten und den kompletten Fahrpreis zurückverlangen. Ebenso kann er die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt beginnen und dann auch eine andere Streckenführung wählen.

Das Beschwerdeformular ist in den Servicezentren der Deutschen Bahn oder im Internet unter www.fahrgastrechte.info erhältlich. Das Formular können Reisende in den Fahrkarten-Verkaufsstellen an den Bahnhöfen einreichen. Die Bahn muss Beschwerden von Fahrgästen nach spätestens einem Monat bearbeitet haben. Bei Streitfällen vermittelt die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) zwischen Kunden und Unternehmen. Entschädigungen muss die Bahn auf Wunsch bar auszahlen, ansonsten per Gutschein oder Überweisung.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass bei Streiks im Luftverkehr höhere Gewalt vorliegt. Also gilt die EU-Fluggastrechteverordnung, die Entschädigungen vorsieht, nicht. Im Bahnverkehr ist das anders: Die Bahn kann bei Streiks oder Unwettern keine höhere Gewalt geltend machen. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus September 2013 ist sie dazu verpflichtet. Bahnchef Rüdiger Grube hat sich vergeblich um eine Änderung bemüht.

Auch bei Taxi Strube ist man da ganz realistisch. Man habe das schon letzte Woche miterleben können, dass es kaum Extrafahrten gibt, nur weil die Züge nicht fahren. Die Leute hätten sich darauf einfach eingestellt.

Information ist alles

Tim Jordan bringt es nichts, dass am Sangerhäuser Bahnhof ein paar Plakate hängen, auf denen allgemein über den Streik informiert wird. Der junge Mann aus Artern (Kyffhäuserkreis), der in Sangerhausen lernt, hat im Vorfeld von alledem nichts mitbekommen. Ärgerlich für ihn: Normalerweise nimmt er immer den Bus. Ausgerechnet am Mittwoch wollte er einen Freund besuchen und ist deshalb auf die Bahn umgestiegen.

Er hat auch die Fahrkarte in der Tasche, aber die hilft ihm nicht weiter. Der Bahnmitarbeiter, der kurz vor 14 Uhr auf Bahnsteig 3 steht, weiß auch nicht genau, ob überhaupt ein Zug kommt. Nur soviel ist sicher: Der Zug, mit dem Tim Jordan nach Hause möchte, der fährt nicht. Also muss der Arterner umdisponieren und doch einen Bus suchen, der ihn nach Hause bringt. Dass er für die Zugfahrkarte sein letztes Bargeld ausgegeben hat, ist bedauerlich.

Denn nun muss der Auszubildende erst mal einen Umweg bis zum nächsten Geldautomat machen. Irgendwann wird Tim Jordan in Artern angekommen sein. Sangerhausen - Artern ist nun nicht gerade eine Weltreise. Aber der junge Mann wird, wenn er das nächste Mal mit der Bahn plant, sich vorher ganz genau informieren. Als er das Bahnhofgebäude verlässt herrscht doch für einen Moment große Stille. Der letzte Zug ist vor wenigen Minuten abgefahren. Doch schon in der nächsten Sekunde werfen die Bauleute ihr schweres Gerät wieder an. (mz)

Trotz Streik müssen die Taxifahrer auf Fahrgäste warten.
Trotz Streik müssen die Taxifahrer auf Fahrgäste warten.
Maik Schumann Lizenz
Der Bahnhof ist wie leer gefegt.
Der Bahnhof ist wie leer gefegt.
Maik Schumann Lizenz