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Wegen türkischem Angriff Sie war beim IS: Kommen Leonora und ihre Kleinkinder wegen türkischem angriff zurück?

Von Jan Schumann Aktualisiert: 21.01.2022, 13:23
Leonora ist während ihrer Zeit im Islamischen Staat zweimal Mutter geworden.
Leonora ist während ihrer Zeit im Islamischen Staat zweimal Mutter geworden. Kabisch

Magdeburg - Die türkische Militäroffensive im Norden des Bürgerkriegslandes Syrien entfacht die Debatte neu, ob die Bundesrepublik deutsche IS-Anhänger zurückholen sollte. Dutzende Deutsche mit Verbindungen zur Terrororganisation Islamischer Staat sind derzeit in Nordsyrien in kurdischen Gefängnissen inhaftiert. Ungewiss ist, wie stabil der Zustand bleibt und ob die Gefangenenlager Ziel militärischer Aktionen sein könnten.

Auch die 19-jährige Leonora Messing aus Sangerhausen (Mansfeld-Südharz) lebte bis zuletzt mit ihren zwei Kleinkindern im nordsyrischen Gefangenlager Al-Hol. Mit 15 war sie zum IS ausgewandert. Sie will sich distanziert haben - der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe.

Deshalb sollen deutsche IS-Anhänger jetzt in deutsche Gefängnisse:

Sicherheitspolitiker von SPD und Grünen sehen die Bundesrepublik angesichts der instabilen Lage in der Pflicht, IS-Anhänger aus Syrien zurückzuholen - bevor sie womöglich ausbrechen und unkontrolliert nach Europa zurückkehren.

In deutschen Gefängnissen seien „diese Personen mittlerweile womöglich die kleinere Gefahr“, sagte Rüdiger Erben, Innenpolitiker der SPD, im Landtag.

Parteikollege Boris Pistorius, Innenminister in Niedersachsen, hatte zuvor klargestellt: „Es gehört aus meiner Sicht zur Glaubwürdigkeit des deutschen Rechtsstaates, dass wir Straftäter in einem ordentlichen Gerichtsverfahren hier in Deutschland verurteilen.“

Straftäter sollen in einem Gerichtsverfahren rechtmäßig verurteilt werden

Darum fordert auch der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel, dass sich Sachsen-Anhalt für die Rückkehr Messings einsetzt. Auf MZ-Anfrage verweisen Staatskanzlei und Landesinnenministerium aber lediglich auf das Auswärtige Amt.

Dort heißt es jetzt, Diplomaten arbeiteten „mit Hochdruck insbesondere daran, die Ausreise deutscher Kinder aus Nordsyrien zu ermöglichen“. Allerdings gebe es vor Ort keinen konsularischen Zugang, das Außenministerium sei „auf die Hilfe und Unterstützung einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure angewiesen“.

Dazu zählten Menschenrechtsorganisationen und auch die kurdische Selbstverwaltung. „Insofern wird die schon zuvor sehr schwierige Situation durch die Kampfhandlungen weiter verkompliziert“, heißt es in Berlin.

Auswärtiges Amt muss sich komplizierten Fragen stellen

Im Falle erwachsener, mutmaßlicher IS-Anhänger wie Messing stellen sich im Auswärtigem Amt noch kompliziertere Fragen. Nicht nur für die innere Sicherheit Deutschlands, sondern „auch Strafverfolgungsansprüche gegen IS-Anhänger, die unter Umständen vor Ort in Syrien oder dem Irak bestehen“, spielten eine Rolle.

Klar gegen eine Rückholaktion stellt sich Markus Kurze, Chef der Parlamentarischen Kontrollkommission in Sachsen-Anhalt, die den Landesverfassungsschutz kontrolliert: „Wir haben in Deutschland bereits eine verschärfte Sicherheitslage. Es ist daher nicht unsere erste Priorität, frühere oder aktuelle IS-Anhänger ins Land zu holen.“

Markus Kurze (CDU): „Das ist nicht unsere erste Priorität.“

Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang warnte indes davor, dass der IS durch die türkische Offensive seit Anfang Oktober an Stärke gewinnen könne. Aus kurdischen Gefängnissen befreite Kämpfer könnten schlimmstenfalls „unbemerkt“ nach Europa kommen. „Hier müssen die Sicherheitsbehörden wachsam sein.“

Das Magazin „Spiegel“ zitierte am Freitag ein Regierungspapier, nach dem in Syrien 84 IS-Anhänger mit deutschem Pass inhaftiert seien. Ein Drittel davon - 19 Männer und acht Frauen - sei als Gefährder eingestuft.

Zuletzt war die Regierung davon ausgegangen, dass allein im Lager Al-Hol, in dem auch Messing bis zuletzt untergebracht war, 120 Kinder deutscher Herkunft lebten. Am Freitag setzte die Türkei ihre Angriffe trotz einer mit den USA vereinbarten Waffenruhe fort. (mz)