Schlossfestspiele Sondershausen Schlossfestspiele Sondershausen: Seeweg der Verdammnis

Sondershausen/MZ - „Der fliegende Holländer“ bei Wohlfühltemperaturen und milder Abendsonne im Schlosshof Sondershausen? Das geht eigentlich nicht und ging auch nicht am vergangenen Sonnabend. Also wurde aus der Wetter-Not eine Tugend zur zweiten Aufführung Wagners romantischer Oper: Sturm und Wolken passen allemal besser zum Meeresrauschen als mediterranes Sommerabendambiente. So entführte Toni Burkhardts Inszenierung die Zuschauer hinaus aufs stürmische Meer.
Die Angst geht um
Zur Ouvertüre bereits zeigt sich die Mannschaft an Deck des norwegischen Windjammers und treibt Kapitänstochter Senta mit gekreuzten Fäusten bis in die Bugspitze. Später wird Senta mit eben dieser Geste die Menschen ihres Lebens in die Knie zwingen. Die Angst geht um vor dem „Fliegenden Holländer“, jenem Unglücklichen, der weder auf noch im Meer Ruhe findet. Weil er einst versprach, so lange zu segeln, bis die Treue einer Frau ihn erlöst. Also wappnet sich die Mannschaft mit schwarz-gelbem Warnband gegen Gefahr und Abstürze jeglicher Art. Ein Sturm treibt das Schiff in eine Bucht. Der wachhabende Steuermann allerdings verschläft die Ankunft des Holländers. Nach sieben Jahren darf der wieder an Land, um Ausschau zu halten nach einem treuen Weib. Daland, der Eigner des Seglers, schwärmt von seiner Tochter und verspricht, den Reichtum des Holländers witternd, die Hand der schönen Senta. Erik, bei Wagner ein Jäger, bei Toni Burkhardt ein Beamter auf Lebenszeit, hat ein Auge auf Senta geworfen. Doch die Angebetete träumt in verklärten Bildern vom unglücklichen Holländer, den sie mit ihrer Liebe von seinem Fluch zu befreien sucht. Vater Daland braucht weder Gold noch gute Worte, um seine Tochter zu überzeugen. Derweil erwacht auf dem Geisterschiff ein grausiges Leben. Heftiger Spuk schlägt die ausgelassen feiernde Daland-Crew nebst Frauen in die Flucht. Der verwünschte Holländer, der seine Erlösung nahen spürt, missversteht indes Eriks drängendes Werben. Der besteht auf Sentas Treueschwur, doch Senta hat sich entschieden. Während sich der „Fliegende Holländer“ abwendet, entscheidet Senta über ihr Leben.
Richard Wagners Oper in drei Aufzügen wurde am 2. Januar 1843 am Königlichen Hoftheater in Dresden unter Leitung des Komponisten uraufgeführt. In diesem Jahr erweisen die Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen dem Meister zu seinem 200. Geburtstag die Ehre. Sie durchbrechen damit ihre Serie der sommerleicht-fluffigen Musikinszenierungen.
Ins 20. Jahrhundert verlegt
Der Nordhäuser Oberspielleiter Toni Burkhardt verlegte das Werk in die Wende zum 20. Jahrhundert. Keine leichte Aufgabe maximale Handlung auf minimaler Bühne bei optimaler Akustik darzubieten. Aber ein gelungenes Unterfangen, das zukünftigen Wagnerianern die Tür zu Wagners Musik öffnen kann. Ausstattungsleiter Wolfgang Kurima Rauschning hat mit einem Schiffsbug, dem Mast, an dem ein einsam Segel flattert und das zu Zeiten als warnendes Kreuz illuminiert wird und den blutroten Segeln des gespenstischen Holländerschiffes eine dichte Atmosphäre geschaffen. In ihr agiert eine starke Senta (Bettine Kampp), die mit flammendem, vollmundigem Sopran wehrhaft gegen ihr bisheriges Leben ansingt. Eine Schwärmerei ist das nicht, das ist eiserner Wille und eine gesunde Portion Egoismus auf ihrem Weg zur Erfüllung. Wie immer die aussehen mag. Dagegen hatte Erik (Joshua Farrier) kaum eine Chance. Kleine stimmliche Abweichungen vom Kurs konnte der junge Sören Richter als Steuermann flugs korrigieren. Roger Krebs (Daland) und Anna Michelsén (Amme) agierten stimmlich wie schauspielerisch souverän. Kai Günther, ausgewiesener Wagner-Interpret, erfüllte die Rolle des untoten Seefahrers mit einem düsteren, voluminösen Bariton. Akzentuiert und damit umso bedrohlicher gibt er das menschliche Drama dieses Unglücklichen, der Liebe vorgibt und Erlösung sucht und vielen Frauen vor Senta Verderbnis brachte, mit starrem Gleichmut wieder. Muscheln haben sein bleicher Kopf, seine Kleider angesetzt (Kostüme Sonja Hesse), ihn umgibt der Atem des Todes.
Der Chor (Leitung Elena Pierini) und das Loh-Orchester unter Leitung seines GMD Markus L. Frank boten einen exquisiten Wagner, von der leichten Brise bis zum Sturm der Elemente. Das Publikum dankte mit langem Applaus.