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Sangerhausen Sangerhausen: Fraueninitiative feiert 20-jähriges Bestehen

Von Helga Koch 18.06.2016, 14:00
Den Besuch der Bundesfreiwilligen in der Allstedter Müntzer-Ausstellung hat die Fraueninitiative organisiert.
Den Besuch der Bundesfreiwilligen in der Allstedter Müntzer-Ausstellung hat die Fraueninitiative organisiert. Maik Schumann

Sangerhausen - Am liebsten hätte Christine Lange zu Hause in Hayn ihren Wildrosenbusch vorm Fest geplündert und allen Frauen Blüten überreicht. Schließlich hat die Sangerhäuser Fraueninitiative den Namen „Wildrose“ gewählt und jetzt ihr 20-Jähriges gefeiert. „Wildrosen blühen zuerst“, erklärt die 72-Jährige, die den Verein mit gegründet hat. „Sie stellen sich allen Witterungsunbilden entgegen und im Winter freut man sich noch an den Hagebutten.“ Dass Wildrosen eine stachlige Seite haben, verschweigen die Frauen keineswegs. „Wir sind zwar partei- und konfessionsunabhängig, aber nicht unpolitisch“, betont die Vereinschefin.

40 Frauen, darunter viele Arbeitslose, haben 1996 den Verein gegründet. Das sei eine Zeit des sozialen Kahlschlags gewesen, beschreibt Lange. Gemeinsam hätten sie überlegt, was sie für Frauen tun könnten und nach Fördermöglichkeiten gesucht. „Ein halbes Jahr später ist unsere erste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) gestartet.“

1997 begannen fünf Frauen, im Umweltbüro zu arbeiten. Fachlich durch einen Ingenieur betreut, entstand ein Gutachten und zeigte, wo in Sangerhausen Energie eingespart werden könnte. „Wir haben es übergeben und nie wieder etwas davon gehört“, sagt Lange knapp. Ein Gesundheitsprojekt für sechs Beschäftigte folgte; die Gymnastikgruppe traf sich immerhin nach dem Ende der Förderung weiter. Zwei Jahre lang gab es die „Kinderinsel“ mit zwei ABM-Kräften, erzählt Rosemarie Becker (68) aus Allstedt. „Wir haben Kinder in einem Raum im Othal über die üblichen Öffnungszeiten der Einrichtungen hinaus während der Schichtdienste ihrer Eltern betreut.“ Nach zwei Jahren war ebenfalls Schluss.

Immer auf Suche nach Fördermöglichkeiten

„Schlimm ist es, wenn die Förderung ausläuft“, sagt Lange. Projekte wie die „Kinderinsel“ hätte sie gern weitergeführt. Stattdessen mussten sie, um gefördert zu werden, immer wieder nach was Neuem suchen. Doch die Frauen haben sich nicht unterkriegen lassen.

Im Laufe der Zeit haben sich die Projekte geändert. In der „Alten Pfarre“ in Hayn ist eine historische Küche eingerichtet worden. Knirpse aus dem Hayner Kindergarten haben dort zum Beispiel Apfeleierkuchen wie zu Urgroßmutters Zeiten gebacken. Jugendliche aus dem Christlichen Jugenddorf oder der Lebenshilfe in Sangerhausen und vom Hettstedter Kolpingwerk haben andere alte Rezepte ausprobiert, die Frauen haben sie in einem Ordner zusammengestellt.

Politik spielt große Rolle

Und immer wieder hat die Politik eine große Rolle gespielt, sagt Lange, ob es nun um Rosel Sättlers Buch „Tausend Jahre überlebt“ oder um „Lebenslang Lebensborn“ ging. „Wir haben Gesprächsrunden in Schulen oder mit Seniorengruppen organisiert und mit Zeitzeugen gesprochen.“

Seit es den Bundesfreiwilligendienst gibt, sind sieben Ehrenamtler für Familien und im sozialen Bereich über den Verein eingesetzt. Neuerdings bietet er die Alltagsbetreuung von Menschen an, die eine Pflegestufe und deshalb Anspruch auf eine Begleitung haben; die Begleiter werden geschult und sind ehrenamtlich im Einsatz.

Hinzugekommen ist außerdem der Deutschunterricht für Flüchtlingsfrauen, der ebenfalls ehrenamtlich angeboten wird. „Die erste Verständigung klappt. Kürzlich haben zum ersten Mal alle Frauen während des Unterrichts kein Kopftuch getragen.“ Sie hätten vorher gefragt, ob ein Mann komme, erzählt Lange. Sie freut sich über das wachsende Vertrauen. Demnächst wollen die deutschen und ausländischen Frauen gemeinsam nähen und kochen.

Verein organisiert mehrere Fahrten im Jahr

„Wir übernehmen außerdem die pädagogische Begleitung für weitere Bundesfreiwillige“, erklärt Rosemarie Becker. Schwerpunkte dabei: Heimat, Historie, Politik. Der Verein organisiert jedes Jahr eine Fahrt zum Landtag nach Magdeburg, Exkursionen zum Thema Reformation nach Eisleben und Wittenberg. Um historische Rohstoffgewinnung geht es bei Fahrten zur Köhlerei Stemberghaus und zum Bergwerk Büchenberg in Elbingerode.

Fünf Frauen, die vor 20 Jahren den Verein „Wildrose“ mit gegründet haben, gehören ihm noch heute an. Andere hat es „in alle Winde verstreut“, etwa Gunda Pauer, Irena Schunke, Anette Karst oder Angela Eisentraut. „Aber zu den meisten haben wir trotzdem noch Kontakt“, sagt Becker. Wünsche für die Zukunft? „Die haben wir natürlich, nämlich weniger Bürokratie und dass unsere Zuschüsse nicht erst im September fließen.“

Übrigens, der Verein ist seit seiner Gründung fünf Mal umgezogen, zuletzt ins Hochhaus. „Wir fühlen uns jetzt richtig wohl“, sagen die Frauen. Nur ein Wildrosenstrauch vorm Haus, der fehlt noch. (mz)