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Reinhard Stolze aus Sangerhausen Reinhard Stolze aus Sangerhausen: Holzwurm aus Leidenschaft

Von Beate Thomashausen 18.02.2015, 12:20

Sangerhausen - Um zu seiner Werkstatt zu kommen, muss Reinhard Stolze übers Grundstück seines Nachbarn gehen. Er geht offenbar sehr häufig diese Strecke, denn ein kleiner Trampelpfad führt mittlerweile über den Rasen des Nachbarn zu seiner Werkstatt. Dort riecht es nach frisch bearbeitetem Holz. An der Wand hängen akkurat aufgereiht die verschiedensten Stechbeitel. „Hier verbringe ich viele Stunden“, sagt Stolze.

Werkzeuge selbst hergestellt

Oft lässt sich auch der Nachbar blicken, der ihm Wegerecht gewährt, um mit ihm zu erzählen oder um einfach mal zu schauen, woran Stolze gerade arbeitet. Dabei ist Stolze von Haus aus eigentlich Schlosser. Was von Vorteil gewesen sei wie er findet. Denn so habe er sich zu DDR-Zeiten seine Werkzeuge selbst herstellen können. Einen passenden Stechbeitel zu bekommen, sei damals schon eine Kunst gewesen. Das Hobby, mit dem Werkstoff Holz umzugehen, sei aber schon älter als der Beruf im Metallhandwerk. Als Jugendlicher gehörte er der Arbeitsgemeinschaft Schiffsmodellbau an seiner Schule an. „Wir sind mit unseren selbst gebauten Booten sogar mal DDR-Meister geworden“, sagt er stolz. „Vielleicht ist meine Liebe zum Werkstoff Holz auch auf meinen Vater und Großvater zurückzuführen. Beide waren echte Holzwürmer, nämlich Tischler und Stellmacher.

Überall auf dem Grundstück findet man Holz, dem Stolze in ungezählten Stunden eine Form, ein Gesicht verliehen hat. Inschriften, Ornamente und Skulpturen. Die beeindruckendsten Stücke hat er bescheiden einfach in der Garage an die Wand gelehnt. So als interessieren ihn seine Werke nicht mehr, wenn er sie denn vollendet hat. Das ist natürlich nicht so, denn voller Begeisterung erläutert er zum Beispiel sein Werk „Gedankensprünge“. „Das ist im Prinzip die Geschichte meiner Generation“, sagt Stolze.

Seine Generation sind die, die so um 1948 geboren sind wie er. Das sind die, die seine Leidenschaft für die Rolling Stones teilen, die in deren Haus noch immer die E-Gitarre am Verstärker lehnt, bereit dazu gespielt zu werden. Das sieht man Stolze vielleicht nicht an, aber er ist ein Mann, der viele Leidenschaften hat. Neben dem Holz ist das die Musik. Deshalb entstand auch zunächst das Relief, das seine Lieblingsband - die Rolling Stones zeigt.

Mehr über seine "Gedankensprünge aus Holz und was darauf zu sehen ist, lesen Sie auf Seite 2.

„Und dann habe ich angebaut“, sagt Reinhard Stolze. Angebaut heißt, dass er jetzt eine sehr großes Relief geschnitzt hat, aus mehreren Teilen, die zusammen ein Puzzle ergeben, die Jahrzehnte von seinem Geburtsjahr bis heute. Alles hat er dargestellt, was ihn und seine Generation bewegte und bewegt. Die „Gedankensprünge“ beginnen 1948 mit einem unscheinbaren Bündel im Schnabel eines Storchs. Das romantische Bild wird relativiert durch die Darstellung von Krieg und Gefangenschaft und Kriegsheimkehrern. „Das hat sich auf unser Leben ausgewirkt, auch wenn wir den Krieg nicht mehr miterlebt haben. Unsere Eltern waren doch von diesen Zeiten geprägt worden“, sagt Stolze.

Leben in Holz geschnitzt

Weiter geht es mit Bodenreform, Volkseigenen Betrieben und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Die Stasi hat er als Kranke verewigt. „Die hatten überall ihre Finger drin. Ich habe zwar keine schlimmen Erfahrungen sammeln müssen, aber viele andere Menschen in meiner Umgebung“, sagt Stolze. Die „Gedankensprünge“ weisen auch auf die Montagsdemos hin, auf die Republikflüchtigen, auf die Wiedervereinigung, auf Einführung der D-Mark, auch die Arbeitslosigkeit stellt der Schnitzer in seinem Relief dar. Alles das habe ihn und seine Generation geprägt. Nun lehnt das Meisterstück bescheiden an der Wand seiner Garage, direkt neben einem anderen Werk.

Auf dem zweiten Relief hat er seine Heimat verewigt. Die Goldene Aue. Sangerhausen, Stolberg und sogar Nordhausen finden sich auf dieser Schnitzerei wieder. Und natürlich die Jagd. Eine weitere Leidenschaft des 66-Jährigen. Damit er und seine Weidgenossen ihre Trophäen auch ansprechend präsentieren können, kommen wieder die Beitel und das Schnitzmesser zum Einsatz. So viele Stücke sind es im Laufe seines Lebens geworden, dass er Buch führt darüber, für wen er was geschnitzt hat. 374 große und kleine Dinge sind darin aufgelistet - von der Holzbank übers Namensschild bis zum einfachen Schneidebrettchen. Großartig Dank möchte er dafür nicht, wenn man liest, was er als Gegenleistung für eine Woche Arbeit entgegennimmt. Ein Bratwurstring oder mal ein neues Stück Holz. „Das ist mir am allerliebsten, wenn ich neues Holz bekomme. Nussbaum am liebsten, den Mercedes unter den Hölzern. Mittlerweile rieche ich schon, wenn jemand in seinem Garten einen Nussbaum fällt“, sagt Stolze schmunzelnd. Denn die Ideen gehen dem Mann nicht aus. Und auch die Aufträge nicht wie sein kleines Büchlein zeigt. (mz)