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Prozessauftakt in Halle Prozessauftakt in Halle: Eiskalte Täterin oder auch ein Opfer?

Von Frank Schedwill 13.02.2014, 05:44
Der Angeklagten (M.) werden neben ihrer Rechtsanwältin Sabine Grunow (l.) die Handschellen von einer Justizbeamtin (r.) vor Prozessbeginn im Landgericht Halle (Saale) abgenommen.
Der Angeklagten (M.) werden neben ihrer Rechtsanwältin Sabine Grunow (l.) die Handschellen von einer Justizbeamtin (r.) vor Prozessbeginn im Landgericht Halle (Saale) abgenommen. dpa Lizenz

Halle (Saale)/Sangerhausen/MZ - Gisela F. ist eine unauffällige Frau. Im schwarzen Hosenanzug, weißer Bluse samt grauem Schal macht die 60-Jährige einen unscheinbaren Eindruck, als sie gestern Morgen in Handschellen durch den Flur des Landgerichts in Halle geführt wird. Im Raum 141 muss sie sich vor der 1. Großen Strafkammer, dem sogenannten Schwurgericht, für eine äußerst gruselige Tat verantworten. Totschlag wirft ihr die Staatsanwaltschaft vor. Und glaubt man der Anklage, muss die ehemalige Sachbearbeiterin, die so durchschnittlich aussieht, kaltblütig sein, sehr kaltblütig.

Ende September 2009 soll die Frau, die zuletzt arbeitslos war, in ihrer Wohnung im Wohngebiet Othaler Weg in Sangerhausen (Mansfeld-Südharz) ihren Ehemann Manfred F. getötet haben. Im Wohnzimmer habe sie den 65-Jährigen nach einem Streit mit einer Axt erschlagen, deren Stiellänge 70 Zentimeter betrug, sagt Staatsanwalt Hendrik Weber. F. habe dem Opfer erst zweimal von vorn wuchtig auf den Kopf geschlagen. Als der 120 Kilogramm schwere Mann zusammenbrach und auf dem Boden lag, habe sie ihm von hinten noch sechs Schläge auf Nacken und Hinterkopf versetzt, so Weber.

Zwei Tage nach der Tat zerstückelte die Angeklagte den Leichnam mit einem Cuttermesser und einer elektrische Laubsäge. Nach eigenen Angaben benötigte sie mindestens zwei Tage dafür. In elf blaue Müllsäcke verpackt, brachte sie die Leichenteile dann nachts im Korb ihres Fahrrades in die nur wenige hundert Meter entfernte Gartenanlage „Bergfrieden“, wo sie zwei Gärten bewirtschaftete. Dort versteckte sie die Leichenteile in einem Regenfass und in einer Abflussgrube. Als das Fass gestohlen wurde und die nichts ahnenden Diebe die Säcke herausnahmen und liegen ließen, verstaute sie die Leichenteile im Eingangsbereich eines Schuppens. Sie scheute auch nicht davor zurück, die Töchter und das Enkelkind zum Spielen in den Garten einzuladen.

Die Bluttat fiel erst nach vier Jahren auf: Im März 2013 erstattete die jüngste der drei Töchter des Paares Anzeige bei der Polizei. Die Frau, die im thüringischen Sömmerda lebt, glaubte den Beteuerungen der Mutter nicht mehr, dass der Vater zu seinem Bruder nach Oberwiesenthal ins Erzgebirge gezogen sei. Nun wurde nach Manfred F. gesucht. Im September vergangenen Jahres entdeckte die Polizei dann die Leichenreste.

Eine 60-jährige Frau aus Sangerhausen hat ihren Mann getötet, den Leichnam zerstückelt und in Mülltüten verpackt versteckt. Familie und Freunden erzählte sie, der Vater sei zu seinem Bruder nach Oberwiesenthal ins Erzgebirge gezogen. Die Bluttat fiel erst nach vier Jahren auf: Im März 2013 wollte eine ihrer Töchter die Geschichte des Umzugs nicht mehr glauben und erstattete Anzeige bei der Polizei, die die Leichenreste im Garten der Frau entdeckte.

Vor 20 Jahren töteten Zigarettenhändler in Halle zwei Konkurrenten auf offener Straße. Die Verdächtigen stehen bis heute oben auf der Fahndungsliste - ohne große Chance, je gefasst zu werden.

Am 15. Juli 1997 wird die Deutsch-Russin Jekatarina Dronova (27) an der Wendeschleife in Halle-Süd tot aufgefunden. Sie liegt in einem Schlafsack und wurde wahrscheinlich lebendig begraben. Die Drogensüchtige wurde seit Mai 1996 vermissst. (Quelle: Volksstimme)

Der Mosambikaner Sergio Paipe (28) wird am 12. Juli 1996 im Musikcafé Dahms in Sangerhausen (Mansfeld-Südharz) mit einem Billardstock erschlagen. Als tatverdächtig gilt der Pakistaner Jabal Meher. (Quelle: Volkstimme)

Ein 47-Jähriger aus Sachsen wurde 2004 offenbar Opfer der organisierten Kriminalität. An den Füßen des Toten fand die Polizei Betongewichte.

In Tränen ausgebrochen

Die Tat an sich und, dass sie die Leiche zerstückelt und versteckt hat, gibt die Angeklagte zum Prozessauftakt zu. Sie zeichnet allerdings ein anderes Bild als die Staatsanwaltschaft, was die Vorgeschichte des Falls angeht. Folgt man ihr, ist die Frau nicht nur Täterin, sondern vor allem Opfer gewesen. In ihrer zweistündigen Vernehmung, bei der sie mehrfach in Tränen ausbricht, sagt sie, ihr Mann habe in den 25 Ehejahren immer wieder getrunken. Er sei dann „hochgradig aggressiv“ geworden und habe sie geschlagen - mitunter auch mit einem Knüppel oder einem Bierglas. Zwei Tage vor der Tat habe sie ihm deshalb gesagt, dass sie sich von ihm trennen wolle, was Manfred F. wohl sehr erzürnt habe. Am Tag des Verbrechens sei der 65-Jährige gegen 20 Uhr betrunken nach Hause gekommen, habe in einem Müllsack die Axt mitgebracht und ihr zunächst mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Später soll er die Axt ausgepackt und mit den Worten: „Trennen willst du dich, du Schlampe“ versucht haben, auf sie einzuschlagen. Der Betrunkene sei aber ins Straucheln geraten und gestürzt, „wobei ihm das Beil aus der Hand fiel“, sagt die Angeklagte. „Ich habe nicht lange überlegt und gleich zugeschlagen.“

Warum sie danach, wie sie behauptet, niemandem von dem Vorfall erzählt habe, beschreibt Gisela F. so: „Ich habe es nicht fertiggebracht, mich nicht getraut.“ Sie habe Angst gehabt, dass ihr sowieso niemand glaube. Nach außen habe sie bei allen Problemen immer versucht, das Bild einer heilen Familie aufrechtzuerhalten.

Mehrere Ungereimtheiten

Allerdings passen nach den Worten des Vorsitzenden Richters Jan Stengel die Verletzungen des Opfers nicht mit dem von der Frau geschilderten Tatablauf zusammen. Darüber hinaus gibt es weitere Ungereimtheiten: So betont Gisela F., selbst stark unter der Tat gelitten zu haben. „Es ging mir Jahre lang nicht gut“, sagt sie wieder unter Tränen. Einem Beamten der Sangerhäuser Kriminalpolizei entgegnete sie aber kurz vor ihrer Festnahme im September vergangenen Jahres auf die Frage, wo ihr Mann ist: „Das wüsste ich auch gerne.“ Gisela F. habe dabei sehr gelassen gewirkt, sagt der Polizist im Zeugenstand. Außerdem hatte sie laut der Aussage des Polizisten bereits im Frühjahr 2009 einen anderen Mann kennengelernt.

Offene Fragen gibt es auch im Zusammenhang mit einer Geldzahlung: Vier Jahre lang kassierte die Frau die Bergbaurente ihres toten Mannes in Höhe von 1 200 Euro pro Monat weiter. Sie schrieb sogar an die Kripo, dass sie eine Bestätigung dafür benötige, dass ihr Mann vermisst ist. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten deshalb zu Beginn wegen Habgier, einem Mordmerkmal, ermittelt. „Es konnte aber nicht widerlegt werden, dass die Angeklagte, erst nach der Tat auf die Idee gekommen ist, die Rente weiterzubeziehen“, sagt der Staatsanwalt.

Der Prozess wird heute fortgesetzt. Das Urteil fällt voraussichtlich am 21. Februar. Sollte Gisela F. wegen Totschlags schuldig gesprochen werden, drohen ihr nach Angaben des Landgerichts bis zu 15 Jahre Haft.

In diesem und einem weiteren Garten der Anlage „Bergfrieden“ in Sangerhausen waren die Leichenteile versteckt.
In diesem und einem weiteren Garten der Anlage „Bergfrieden“ in Sangerhausen waren die Leichenteile versteckt.
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Die Gartenanlage ist weiträumig abgesperrt. Die Ermittler sind noch vor Ort.
Die Gartenanlage ist weiträumig abgesperrt. Die Ermittler sind noch vor Ort.
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Kripobeamte vor dem Haus, in dem der Mann getötet wurde
Kripobeamte vor dem Haus, in dem der Mann getötet wurde
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