Porträt einer FreundschaftPorträt einer Freundschaft: Ein Syrer, ein Grillenberger und ihr Faible für den Zirkus
Grillenberg - Mahmoud Kelani aus Damaskus und Andreas Sonntag aus Grillenberg kennen sich seit sieben Monaten.
Mit einem Bein steht der junge Mann auf der Walze, konzentriert schaut er zu Boden, rollt vorwärts. Er klatscht in die Hände, springt ab und landet auf einer roten Kugel. Mit den Füßen balanciert er sein Gewicht aus, kullert vor und zurück. Es regnet Applaus. Und dann landet Mahmoud Kelani auch schon wieder auf der Erde. Tücher fliegen jetzt durch die Luft, Teller tanzen auf Stäben.
Grillenberger und Syrer lernten sich vor sieben Monaten kennen
Und am Rand der Turnhallen-Manege aus Matten kann ein Zuschauer kaum noch an sich halten. Der Mann in dem hellroten, mittelalterlichen Wams klatscht in die Hände: „Super, Mahmoud.“ Er ist begeistert von dem Artisten, der sein Schüler ist.
Seit sieben Monaten sind die beiden unzertrennlich: Mahmoud Kelani aus Damaskus und Andreas Sonntag aus Grillenberg. Der Zirkus ist ihre Welt. Zwischen Sprungtüchern, Ballons und Kinderlachen haben sie zueinander gefunden.
Wenn die beiden zusammen in Schulen und Kindergärten reisen und ihren Mitmach-Zirkus aufbauen, fühlt sich der junge Syrer wohl. „Er liebt die Arbeit mit den Kindern“, erzählt Sonntag, der als Bergmönch vom Röhrigschacht bekannt ist. „Es gefällt ihm, etwas Sinnvolles zu lernen.“ Denn im Sangerhäuser Flüchtlingsheim, wo der 26-Jährige seit dem letzten Jahr lebt, habe ihn zu oft die Langeweile gequält.
Er war neu in Deutschland, kannte die Sprache nicht und hatte keine Beschäftigung. Irgendwann ist er dann in der Begegnungsstätte „Oase“ am Marktplatz gelandet - als einer von vielen jungen Männern, die in einem fremden Land nicht wussten, wohin.
Und weil Sonntags Lebensgefährtin Diana Wozny dort ehrenamtlich unterwegs ist, hat der Grillenberger auch seinen Assistenten gefunden: „Wir haben schnell gemerkt, dass Mahmoud gut mit Menschen umgehen kann. Also habe ich ihn einfach zu einem Auftritt mitgenommen“, erinnert sich der Bergmönch.
Geschätzte hundert Mal ist der Syrer gestürzt, bevor die Kunststücke klappten. Aufgegeben hat er nie. Heute gehört er zu den besten Laien-Akrobaten, die Andreas Sonntag kennt.
Mahmoud Kelani absolvierte Medizinstudium in Damaskus
Doch Mahmoud Kelani war nicht immer der Artist, den Kinder für seine Beweglichkeit bewundern. „Ich bin Anästhesist“, sagt er stolz und lächelt. Noch vor seiner Flucht konnte er das Medizinstudium in Damaskus beenden. In Deutschland zählt das wenig: Die drei Jahre Universität werden kaum anerkannt.
„Ich wollte in Halle noch mal studieren. Doch alles ist so kompliziert“, sagt er etwas bedrückt. Er will den Neuanfang, aber ob er seine Zukunft als Arzt sieht, bleibt offen. Die Zirkusspiele seien jetzt seine Welt, sein Freund Andreas habe ihm vieles beigebracht.
Pädagoge, das wäre etwas für ihn, vielleicht sogar im sozialen Bereich oder irgendwo mit Kindern. „Andreas kann mir da helfen“, ist er sich sicher.
Mahmoud ist nicht der erste Flüchtling, den Sonntag unter seine Fittiche nimmt. Bereits zwei junge Männer hat er ausgebildet. „Das ist zwar kein anerkannter Abschluss, bedeutet aber Erfahrung“, meint der 58-Jährige. „Beide wollten dann zu ihren Familien. Einer ist jetzt an der Zirkusschule in Hamburg, der zweite lernt Sozialpädagoge in Kiel“, freut er sich.
Angst, dass auch sein Freund Mahmoud fortzieht, hat er nicht: „Natürlich wollen Flüchtlinge gern in die Großstadt. Sangerhausen ist für sie ein Dorf“, weiß er. Doch Mahmoud hat bereits mehrmals angedeutet, dass er hier bleiben möchte. „Ich bin allein geflohen“, sagt er. „Hier wohnen aber alle meine deutschen Freunde.“ (mz)