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MZ-Dorfserie MZ-Dorfserie: Idylle im Südharz: 130 Einwohner des kleinen Wolfsberg halten zusammen

Von Frank Schedwill 05.08.2018, 16:00
Den wohl schönsten Blick auf den Ort hat man vom Schlossberg.
Den wohl schönsten Blick auf den Ort hat man vom Schlossberg. Maik Schumann

Wolfsberg - Es ist das Paradies für Ruhesuchende. Nahezu versteckt liegt Wolfsberg, der westlichste Sangerhäuser Ortsteil, an der Landstraße zwischen Hayn und Rotha im Harzer Grün. Gerade einmal 130 Menschen leben dort. Und wen es einmal in den Ort mit den vielen schmucken Fachwerkhäusern verschlagen hat, der will auch meist nie wieder weg.

Das sagt zumindest Bärbel Preibisch-Wilke. 1975 ist die heute 61-Jährige der Liebe wegen nach Wolfsberg gezogen, das seit 2005 zu Sangerhausen gehört. Mit ihrem Mann lebt sie in einem Einfamilienhaus, dessen Blickfang ein bunter Blumengarten vor dem Tor ist. „Einen besseren Wohnort kann ich mir nicht vorstellen“, sagt die Wolfsbergerin.

Sägewerk am Ortsrand von Wolfsberg ist einziger großer Arbeitgeber im Ort

Trotz der Entfernung zu ihrer Arbeit in Sangerhausen: 54 Kilometer legt sie täglich mit dem Auto zum Therapeutischen Wohnheim für Suchtkranke in der Kreisstadt zurück. Pro Tour ist sie dabei auf der kurvigen Straße immerhin bis zu 40 Minuten unterwegs. „Ich genieße die Fahrt durch den Südharz“, sagt sie. „Gerade im Herbst, wenn sich die Wälder bunt färben oder im Winter, wenn die Bäume mit Raureif überzogen sind.“

Nur die Straße sei in einem schlimmen Zustand. „Ich habe den Eindruck, in einigen Abschnitten ist seit DDR-Zeiten nichts mehr daran gemacht worden.“ So wie Preibisch-Wilke nehmen viele Wolfsberger täglich kilometerweite Wege aus ihrem Heimatort in Kauf. Das Sägewerk am Ortsrand ist der einzig größere Arbeitgeber. Wer dort keinen Job hat, muss fahren. „Viele arbeiten beispielsweise in Nordhausen, Quedlinburg, Thale oder Eisleben“, sagt Ortsbürgermeister Udo Lucas (CDU).

Einzige Gaststätte im Ort ist schon viele Jahre zu

Und selbst wenn viele Einwohner mit niemandem tauschen wollen und wieder Auswärtige in den Ort ziehen, Probleme gibt es auch im idyllischen Wolfsberg. So hat die „Wolfsklause“, die einzige Gaststätte im Ort, seit Jahren geschlossen.

Bis auf den Kiosk im Bad gibt es keine Läden mehr. Die Versorgung sichern fliegende Händler. Die Wolfsberger halten aber zusammen. So kann man bei Kioskbetreiberin Heidi Hartmann im Sommer Lebensmittel bestellen oder Nachbarn bringen sich gegenseitig etwas mit. „Auch der Servicebus, der dienstags und donnerstags Einwohner zum Einkaufen oder zu Arztterminen nach Roßla fährt, hat dem Ort gut getan“, sagt Lucas.

Normale Busanbindung ist in Wolfsberg schlecht

Denn die normale Busverbindung sei schlecht. Am Wochenende oder abends gibt es beispielsweise keine Verbindung zwischen Wolfsberg und Sangerhausen. Und wer nachmittags mit dem Bus ins Sangerhäuser Kino fahre, komme damit abends nicht mehr zurück. Unabhängig davon, dass eine Busfahrt hin und zurück fast neun Euro koste, was sich nicht jeder leisten könne.

Maßgeblich zum Zusammenhalt im Ort trägt auch der 2009 gegründete Feuerwehr- und Dorfgemeinschaftsverein bei. Wegen dessen rühriger Mitglieder hat Wolfsberg vor zwei Jahren den Demografiepreis des Landes erhalten. Der Verein betreibt eine kleine Bibliothek, kümmert sich um die Feuerwehr, ein Mitglied bietet Englischunterricht für Kinder an.

Dazu organisieren die Mitglieder Feste wie das Schlossbergfest, das Anfang August wieder stattfinden wird. Auch das Freibad, die Hauptattraktion des Ortes, läuft unter der Regie des Vereins.

Bad ist im Sommer der Treffpunkt in Wolfsberg

Klaus-Peter Pigorsch (75) hat das Bad mit seinem 50-Meter-Becken gemeinsam vielen anderen Wolfsbergern ab Anfang der 1960er Jahre im sogenannten Nationalen Aufbauwerk errichtet. 1964 wurde es eingeweiht. Später kamen sogar zwei Tennisplätze hinzu. „Unser Lohn war nach getaner Arbeit eine Flasche Bier“, sagt der 75-Jährige. Ihm und vielen anderen liegt das Bad sehr am Herzen.

„Man braucht eigentlich nicht in Urlaub zu fahren, gerade in diesem heißen Sommer“, sagt Roland Schrötter (78), der ein Gartenhaus in der Bungalowsiedlung besitzt. Die liegt nur wenige Meter vom Bad entfernt. Dirk Rülke aus Oberröblingen hat sich dort vergangenes Jahr ein Häuschen gekauft und dabei gleich eine Angewohnheit des Vorbesitzers übernommen. Rülke geht, wenn er in Wolfsberg ist, vormittags und nachmittags schwimmen.

Und so werden viele Alt- und Neu-Wolfsberger allergisch, wenn wieder mal Gerüchte die Runde machen, dass die Stadt das Bad aus Kostengründen schließen will. Nicht nur Rülke sagt: „Ich werde alles daran setzen, dass es auch künftig erhalten bleibt.“ (mz)

Das Freibad hängt vielen Wolfsbergern am Herzen. Klaus-Peter Pigorsch hat es mit errichtet.
Das Freibad hängt vielen Wolfsbergern am Herzen. Klaus-Peter Pigorsch hat es mit errichtet.
 Schumann
Ortsbürgermeister Udo Lucas an der Karte, die die vielen Wanderwege rund um Wolfsberg zeigt.
Ortsbürgermeister Udo Lucas an der Karte, die die vielen Wanderwege rund um Wolfsberg zeigt.
Schumann
Der Stolz von Bärbel Preibisch-Wilke sind ihre bunten Blumen. Der Garten vor ihrem Haus ist ein Blickfang.
Der Stolz von Bärbel Preibisch-Wilke sind ihre bunten Blumen. Der Garten vor ihrem Haus ist ein Blickfang.
Schumann