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Mifa in Sangerhausen Mifa in Sangerhausen: Insolventer Fahrradbauer nimmt Produktion wieder auf

Von Frank Schedwill 16.02.2017, 17:09
In der Montagehalles des neuen Mifa-Werks im Gewerbegebiet an der Wasserschluft bei Sangerhausen ist die Produktion wieder angelaufen.
In der Montagehalles des neuen Mifa-Werks im Gewerbegebiet an der Wasserschluft bei Sangerhausen ist die Produktion wieder angelaufen. Schumann

Sangerhausen - Mit geübten Handgriffen montiert Tony Zeddel die Gabel und den Vorbau. Der 30-Jährige steht am Anfang des rund 200 Meter langen Montagebandes im neuen Mifa-Werk An der Wasserschluft in Sangerhausen. Seit Donnerstagmorgen, 6 Uhr, werden in der Fabrik wieder Fahrräder produziert.

Aktuell arbeiten nur 100 der Mifa-Beschäftigten im neuen Werk in Sangerhausen

Vorerst arbeiten 100 der aktuell noch 520 Beschäftigten in dem Werk im Ein-Schicht-Betrieb. Etwa eine halbe Stunde dauert es, bis ein Rad komplett fertig ist: Das Band läuft zum Auftakt langsam, sonst sind es nur 20 Minuten. Zeddel und seine Kollegen schrauben silberne E-Bikes mit Mittelmotoren und „Cucuma“-Aufklebern für einen Fachhändler zusammen: Etwa 300 bis 500 Stück sollen am Ende der Schicht montiert sein. 

Es ist eine Art Neuanfang bei dem Unternehmen, das Anfang  Januar zum zweiten Mal in zweieinhalb Jahren Insolvenz anmelden musste. Wochenlang wurde  in dem Werk nicht produziert, weil die Mifa Zulieferer in Fernost nicht bezahlen konnte und Teile für die Fertigung fehlten. Das ist nach einem mittlerweile doch gewährten Massekredit der Eigentümerfamilie von Nathusius über 3,5 Millionen Euro Geschichte.

Mifa-Bike-Geschäftsführer Matthias Herold spricht davon, dass die Produktion langsam wieder hochgefahren wird. In der nächsten Woche sollen bereits 3.500 bis 4.000 Fahrräder die Montagehalle verlassen - neben den relativ aufwendigen E-Bikes auch einfachere Trekkingräder. In zwei bis drei Wochen würden  Großaufträge in Angriff genommen. Hierfür fehlt es momentan noch an Teilen. Geplant ist, bis zu 1.000 Räder am Tag herzustellen.

Dann sollen auch die Einspeich-Automaten in der Halle und die Verpackungsroboter nebenan laufen, kündigt Herold an. „Bei den geringen Stückzahlen derzeit brauchen wir sie  noch nicht“, sagt der Geschäftsführer. Auch die beiden Bänder für die Mifa-Premiummarken Steppenwolf, Grace und Vaun sowie  die sogenannten Cargobikes stehen noch still. Viele Mitarbeiter sind froh, dass die Produktion anläuft. Dennoch ist die Unsicherheit in der Halle fast mit den Händen zu greifen.  Denn keiner der Männer und Frauen weiß, wie  es weiter gehen wird. 

285 Mifa-Beschäftigte sollen die Kündigung erhalten

Erst Anfang der Woche hat der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther mitgeteilt, dass es die Auftragslage nach derzeitigem Stand nur erlaubt, rund die Hälfte der etwa 520 Mifa-Beschäftigen weiterzubeschäftigen. Mit dem Betriebsrat liefen Gespräche über Sozialplan und Sozialauswahl. Ende Februar läuft das Insolvenzgeld für die Beschäftigten aus. Nach MZ-Informationen sollen insgesamt 285 Mifa-Leute die Kündigung erhalten. Wichtig sei, dass das Werk nach der Insolvenzeröffnung kostendeckend arbeite - „sonst müsste die Mifa ihren Geschäftsbetrieb sofort einstellen“, sagte Flöther. 

Für die, die gehen müssen, wird die Bildung einer Transfergesellschaft geprüft. Sie soll die Betroffenen  bei der Suche nach einem neuen Job unterstützen. Dennoch hofft jeder, dass er nicht unter den Gekündigten ist. „Mit 59 Jahren finde ich keinen anderen  Job mehr. Die meisten Arbeitgeber wollen nur junge Leute“, sagt beispielsweise Sieglinde Groß. Seit 20 Jahren arbeitet die Frau aus Brücken bei dem Fahrradbauer. 

An den E-Bikes montiert sie mit einem Akkuschrauber  die Abdeckung auf den Kabelschacht am Rahmen. „Ich würde gerne noch bleiben“, sagt sie. So sehen es alle ihre Kollegen.  Auch Daniel Mögling (35) und Dieter Mansfeld (55), die die Motoren in die Fahrradrahmen schrauben, hoffen, dass sie auch künftig bei der Mifa am Band stehen werden. Von der Mifa-Geschäftsführung gibt es zu den geplanten Entlassungen und der laufenden Suche nach Investoren für das Fahrradwerk an diesem Donnerstag keinerlei Informationen. Weder Herold noch Christoph Möller, der Sprecher des vorläufigen Insolvenzverwalters, wollen sich  dazu äußern. Die Wiederaufnahme der Produktion steht im Vordergrund.

Nach Informationen aus der Belegschaft sollen die Namen derjenigen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, in der kommenden Woche bekanntgegeben werden.  (mz)