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Mediziner im Raum Sangerhausen Mediziner im Raum Sangerhausen: Hausarzt verzweifelt gesucht

Von FRank SCHEDWILL 26.01.2016, 11:46
Charlotte Liebetanz und ihr Nachbar Peter Kreft diskutieren über die Hausarztmisere. Beide wissen nicht, wie es ab Ende März weiter gehen soll, wenn ihre langjährige Ärztin in den Ruhestand geht.
Charlotte Liebetanz und ihr Nachbar Peter Kreft diskutieren über die Hausarztmisere. Beide wissen nicht, wie es ab Ende März weiter gehen soll, wenn ihre langjährige Ärztin in den Ruhestand geht. MAIK SCHUmann Lizenz

OBERRÖBLINGEN/SANGERHAUSEN - Charlotte Liebetanz (80) und eine ganze Reihe anderer Patienten aus Sangerhausen sind verzweifelt. Denn in einigen Wochen werden sie voraussichtlich ohne Hausarzt dastehen. Die Diplom-Medizinerin Karin Sladeck aus Oberröblingen, die bisher Liebetanz und Hunderte andere Patienten betreut, geht Ende März in den Ruhestand. Ein Nachfolger für sie ist nicht in Sicht.

Die Kassenärztliche Vereinigung in der Sangerhäuser Region hatte im vergangenen Jahr bereits auf einen Engpass an Ärzten hingewiesen. Ein Großteil der Allgemeinmediziner werde in absehbarer Zeit in Rente gehen. Das Durchschnittsalter der Hausärzte im Landkreis Mansfeld-Südharz betrug damals knapp 54 Jahre, darunter war rund ein Viertel 60 Jahre und älter. (Archiv)

Rund 1.400 Patienten pro Quartal

„Es ist mir nicht leichtgefallen, meine Praxis aufzugeben“, sagt Sladeck. Sie wolle aber mit 61 Jahren ihren vorgezogenen Ruhestand antreten. Die Ärztin hat nach der Wende erst in der Poliklinik in Sangerhausen Südwest gearbeitet und dann 25 Jahre lang in Oberröblingen praktiziert. Ihre dortige Praxis hätte sie gern an einen anderen Arzt übergeben. „Der Bedarf und eine wirtschaftliche Grundlage sind mit 1 300 bis 1 400 behandelten Patienten pro Quartal auch gegeben“, sagt sie. Doch es sei kein Nachfolger zu finden gewesen. „Ich habe auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) frühzeitig von meinem geplanten Ruhestand informiert“, sagt Sladeck. Aber auch die KV, die die ambulante Versorgung der Bevölkerung sicherstellen soll, habe seit über einem Jahr keinen neuen Arzt für die Praxis in Oberröblingen finden können.

Medizinische Betreuung notwendig

Die Patienten verstehen die Entscheidung der Ärztin und machen ihr keinen Vorwurf. Sie wissen aber nicht mehr, an wen sie sich ab Ende März wenden sollen. Denn nach ihren Angaben ist kein anderer Hausarzt in Sangerhausen bereit, sie als Patienten aufzunehmen. „Ich habe mir fast die Finger wund telefoniert, aber überall die gleiche Auskunft erhalten“, sagt Liebetanz. „Immer hieß es: Wir sind rappelvoll und nehmen keine Patienten mehr an“. Dabei ist die 80-Jährige nach zwei leichten Schlaganfällen dringend auf medizinische Betreuung angewiesen. Auch die Medikamente, die sie permanent braucht, müsse ihr jemand verschreiben. „Ich weiß nun nicht mehr, was ich tun soll. So ein schlechtes Gesundheitswesen hatten wir noch nie“, schimpft die Rentnerin. Ihr Nachbar Peter Kreft hat die gleichen Probleme: Nach einem Herzinfarkt und einem Schlaganfall braucht er neben Medikamenten auch regelmäßig Überweisungen zu Fachärzten. „Wer stellt mir die Bescheinigungen nun aus“, fragt der 55-Jährige. „Das Problem haben viele chronisch Kranke.“

Kreft hat sich deshalb bei anderen Betroffenen umgehört. Einige Patienten von Sladeck hätten sich nun Hausärzte im thüringischen Artern oder gar in Eisleben gesucht. Nur, wie sollen ältere Leute ohne Auto dorthin kommen, fragt er. „Das ist doch ein Unding.“ Auch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt spricht von einer „schwierigen Versorgungssituation“ in der Kreisstadt. „Laut Bedarfsplanung sind derzeit bereits 7,5 Arztstellen bei Hausärzten im Planungsbereich Sangerhausen nicht besetzt“, sagt KV-Sprecherin Janine Krausnick. „Auch vor dem Hintergrund der Altersstruktur der niedergelassenen Hausärzte und ihrer bereits bestehenden Auslastung betrachten wir die weitere Entwicklung mit Sorge.“

Suche nach Lösung

Bemühungen, einen Nachfolger für Frau Sladeck zu finden, hätten aber nicht zum Erfolg geführt. Krausnick: „Obwohl eine Niederlassung eines neuen Hausarztes oder die Praxisübernahme umfangreich finanziell gefördert werden würde, fand sich kein geeigneter Interessent.“ Die Kassenärztliche Vereinigung prüfe deshalb derzeit weitere Maßnahmen. Außerdem würden Gespräche mit vorhandenen Hausarztpraxen in der Umgebung und weiteren Einrichtungen geführt, um eine Lösung für die Patienten zu finden. Laut KV müssen bis zum Jahr 2025 insgesamt 825 Hausarztpraxen in Sachsen-Anhalt neu besetzt werden. Die KV versuche mit einem Bündel von Maßnahmen dem Verlust von Arztpraxen entgegenzuwirken. Dazu gehöre die Vergabe von Stipendien an Medizinstudenten, die in Sachsen-Anhalt bleiben wollen. (mz)