Mäusewelle überrollt Felder
Sangerhausen/MZ. - Aller drei bis vier Wochen kann bei günstigen Bedingungen eine neue Population entstehen. Die Zeichen stehen auf Alarm, dennoch lehnen Naturschützer im Land den großflächigen Einsatz von Mäusegift ab. Eine Mäusewelle rollt auf die Felder im Landkreis Mansfeld-Südharz zu. Dieser Auffassung sind Landwirt Wolfgang Beer und seine Berufskollegen. Beer ist Geschäftsführer der Agrargenossenschaft in Gerbstedt. An jedem halbwegs trockenen Tag sind die Beschäftigten seines Unternehmens sowie angelernte Helfer mit Legeflinten unterwegs und bringen Mäusegift direkt in die Mäuselöcher ein.
"Der Aufwand, den wir betreiben, ist riesig. Effektiver wäre es, wenn wir die Ratron-Feldmausköder flächendeckend ausbringen dürften. Das ist uns aber nicht mehr erlaubt", so Beer. In den sauren Apfel, jedes Mäuseloch auf dem Acker zu suchen, müssen die Bauern beißen. Denn die Schäden, die die Nager auf den Äckern anrichten, sind bereits heute zu sehen. 15 Prozent der Rapsflächen seien von Mäusen bereits kahl gefressen worden. Auch im Wintergetreide seien die Schäden nicht mehr zu übersehen.
Kein Wunder: Auf den vorgeschriebenen 16 mal 16 Meter großen Kontrollflächen seien zum Teil bis zu 250 Mäuselöcher gezählt worden. Erst, wenn eine bestimmte Schwelle erreicht ist, dürfen die Nagetiere bekämpft werden. Beer ist sich sicher, dass man dieser "Invasion" nicht mehr allein mit Legeflinten Herr werden kann. Brutstätten für die Mäuseplage sieht der Landwirt sowohl in den kaum abgemähten Straßengräben als auch zu Füßen der Windkrafträder auf den Feldern. Beer: "Dorthin trauen sich weder Füchse noch Greifvögel."
Auch mit anderen Mitteln, als nur den Legeflinten, versuchen die Landwirte, der Mäuseplage beizukommen. "Im Herbst durchbrechen wir die grüne Linie", erklärt Landwirt Beer. Damit sei gemeint, dass der abgeerntete Acker bearbeitet wird und für einige Tage als "schwarze Fläche" liegen bleibe. Dadurch finden die Mäuse dort keine Nahrung. Allerdings ziehen sich die Nagetiere dann in die Straßengräben und auf die benachbarten Flächen zurück.
Den flächendeckenden Einsatz von Ratron auf den Feldern kritisiert der Naturschutzbund (Nabu) Sachsen-Anhalt scharf. "Wir sind, wenn überhaupt, für punktuelles Ausbringen des Mäusegiftes", sagt Winfried Schulze. "Denn die toten, vergifteten Mäuse werden von Wildtieren gefressen, die sich ebenso vergiften. Das kann man nicht gutheißen."
Früher sei es so gewesen, dass die Landwirte das Gift nur mit Teelöffeln in die Mäusegänge streuen durften und nicht so unkontrolliert wie heute. Schulze war 40 Jahre als diplomierter Biologe im Sangerhäuser Spenglermuseum tätig und engagiert sich als Vorsitzender des Nabu-Kreisverbandes Sangerhausen. Außerdem meint er, dass die Landwirte selbst die Straßengräben abmähen sollten, wenn die Straßenmeisterei dies nicht tue. Schließlich seien dort die Brutstätten der Mäuse. "Wenn dort der Bewuchs so kurz ist, dass die Greifvögel die Mäuse laufen sehen können, fangen sie die Nager auch." Er selbst sehe noch keine Mäuseplage auf die Natur zukommen. "Sicher, es war ein schwacher Winter", räumt der Naturschützer ein, "die Nässe dezimiert aber auch die Mäuse."
"Die toten Hasen in Sachsen-Anhalt, die im Oktober letzten Jahres im Salzlandkreis aufgefunden wurden, sollten Anlass genug gewesen sein, eine erneute Ausnahmegenehmigung bundesweit zu versagen", argumentiert Annette Leipelt, Geschäftsführerin vom Nabu Sachsen-Anhalt. Durch direkten Verzehr des Köders (Gefahr der Primärvergiftung) können ebenso Kraniche und Gänse betroffen sein.
Am Donnerstag wird in Hohenmölsen der Bauerntag des Landesbauernverbandes Sachsen-Anhalt stattfinden. Von dort erwarten sich die Landwirte aus dem Landkreis Mansfeld-Südharz klare Aussagen, wie die Mäuseplage eingedämmt werden kann. Beer: "Wir haben alle Instanzen angesprochen und Ausnahmegenehmigungen beantragt. Es muss schnell entschieden werden, bevor die Vegetation zu weit vorangeschritten ist, dass man die Mäuselöcher nicht mehr finden kann."