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Maronen, Seitlinge und Co Maronen, Seitlinge und Co: Viele Pilze lassen auf sich warten

Von Steffi Rohland 11.10.2016, 11:38
Jürgen Peitzsch ist seit über 40 Jahren Pilzberater. Er gibt sein umfangreiches Wissen gern weiter.
Jürgen Peitzsch ist seit über 40 Jahren Pilzberater. Er gibt sein umfangreiches Wissen gern weiter. Steffi Rohland

Wettelrode - Auch wenn es in den vergangenen Tagen ab und zu geregnet hat, die Erde ist noch zu trocken, viele Pilze lassen auf sich warten. Nur drei Pilze liegen deshalb an diesem Tag verloren im mitgebrachten Korb. Eine Mahlzeit wird das nicht, zumal der einzig essbare Pilz davon, ein Parasolpilz, bereits zu alt und madig ist.

Der Kahle Krempling wird vom Pilzberater Jürgen Peitzsch (76) sofort entsorgt. Auf den warnend rot gefärbten Täubling blickt er skeptisch: Es gibt über 200 Täublingsarten, manche davon sind genießbar, andere giftig. Oftmals sind sie nur anhand der Sporen mikroskopisch unterscheidbar.

Pilzberater: Stockschwämmchen und Hallimasch kommen noch

Immerhin gab es für Peitzsch vor ein paar Tagen bereits eine Mahlzeit aus Schirmpilzen. „Allerdings spätabends, da konnte ich die Nacht schlecht schlafen“, stellt er schmunzelnd fest. „Ich sollte es besser wissen.“ Denn Pilzberater Peitzsch beschäftigt sich seit 1974 nicht nur intensiv mit Pilzen. Aber er isst sie auch gern, da kann man nach einer langen Wartezeit schon mal alle guten Ratschläge, die man sonst gibt, vergessen. Er ist auch recht optimistisch, was zukünftige Pilzmahlzeiten betrifft: Die beliebten Stockschwämmchen und der Hallimasch werden sicher noch kommen, meint er.

In Mitteleuropa sind nahezu 3.000 Pilze bekannt. Aufgrund neuer Gen-Sequentierung sprechen manche Fachleute von 6.000 Arten. Gerade wurden die Röhrlinge neu aufgeteilt. Rund 2.000 Pilzarten wurden in der Flora von Sachsen-Anhalt festgehalten.

Mit weiteren Pilzkennern war Jürgen Peitzsch an der Dokumentation der Kernzonen des Biosphärenreservates Karstlandschaft Südharz beteiligt. Je nach Pilzsaison hat er als Pilzberater 100 bis 200 Beratungen, bei denen er die Arten dokumentiert. Im vergangenen Jahr hat er bei 92 Beratungen 277 Pilzarten bestimmt. Zudem hat er bei drei Wanderungen sein Wissen über die Beziehungen von Pilzen und ihren Biotopen weitergegeben und eine Ausstellung im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz in Roßla mit organisiert. (sro)

Zu seiner Ausbeute bei Pilzwanderungen gehörten in den vergangenen Tagen immerhin bereits zwei Austernseitlinge und ein kleiner Lärchenröhrling. Denn im Gegensatz zu den Schirmpilzen, die zu den Saprophyten, sprich den zersetzenden Pilzen, gehören, warten die Mykorrhiza-Pilze noch auf das Wasser.

Letztgenannte dienen das ganze Jahr über ihren Partnerbäumen Buche, Eiche, Birke oder Lärche als verlängerte Wurzel und geben neben Wasser auch Nährsalze wie Phosphor und Stickstoff an den Baum ab. Durch das weitverzweigte Hyphengeflecht kann der Pilz auch Nahrung aus größerer Entfernung herantransportieren. Außerdem speichert das Mykorrhiza-Geflecht Nährstoffe, die in Mangelsituationen an den Baum abgegeben werden. Im Gegenzug bekommt der Pilz Traubenzucker und andere Assimilate, die der Baum bei der Photosynthese produziert.

Denn aufgrund des fehlenden Blattgrüns sind Pilze nicht zur Kohlenhydratproduktion fähig. So ist der Pilz unterirdisch ganzjährig vorhanden. Im Herbst, wenn es feucht genug ist, bilden die Mykorrhiza-Pilze oberirdisch ihre auffälligen Fruchtkörper aus, welche die Sporen zur Vermehrung bilden. Manche davon werden gesammelt und gegessen.

Experte: „Man soll nur die Pilze sammeln, die man sicher kennt“

„Man soll nur die Pilze sammeln, die man sicher kennt“, sagt Jürgen Peitzsch und fügt hinzu: Oder man sollte sich beraten lasse. Von einer Pilzbestimmung anhand von Bildern in Internetforen rät er ab. 100 Pilzarten musste er zur Prüfung als Pilzberater erkennen. Inzwischen hat sich sein Artenwissen vervielfacht. „Wer sich heute der Prüfung unterzieht, muss 200 Arten kennen“, sagt er. Auch in den Reihen der Pilzberater wird dringend Nachwuchs gesucht.

Ein paar Ratschläge für Pilzsucher hat er noch: Die Pilze sollten weder zu jung noch zu alt geerntet werden. Angefressene Exemplare sollten in Wald und Flur bleiben. Er empfiehlt, die Pilze möglichst vollständig aus dem Boden herauszudrehen, damit man auch den Stielansatz sieht. Das ist zum Beispiel für das Erkennen des giftigen Knollenblätterpilzes wichtig. Außerdem sollten sie in einem luftigen Behältnis - am besten grob gesäubert im Pilzkorb - transportiert werden.

Er weiß, dass diese grundlegenden Dinge immer wieder gesagt werden, aber ihm kommen immer noch Pilzsucher mit Plastebeuteln entgegen. (mz)

Pilzberater: Uwe Hoffmann, Hergisdorf, Tel. 034772/307 96, Jürgen Peitzsch, Wettelrode, Tel. 03464/58 99 18