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Mama durfte zum Abschied küssen

Von Beate Lindner 05.08.2005, 15:26

Kelbra/MZ. - Die 72-Jährige Hilde Kraus aus Kelbra hat Johannes Heesters getroffen. Sie hat mit ihm geplaudert. Sie hat mit ihm gelacht. Sie hat ihm das Frühstücksei gekocht und sie hat ihn sogar geküsst. Der 101-jährige Schauspieler und Sänger wiederum hat Mama zu ihr gesagt. All das hat Hilde Kraus noch gar nicht richtig verarbeitet, ist erst ein paar Tage her. Also alles der Reihe nach.

Hilde Kraus, die aus der westlichen Altmark stammt, hat erstmals mit 13 Jahren den Operettenfilm "Die Fledermaus" mit dem jungen Johannes Heesters im Kino gesehen. "Das war 1946. Damals kostete der Eintritts ins Lichtspieltheater 50 Pfennig", erinnert sie sich wie heute. "Eigentlich war der Film erst ab 14 Jahre zugelassen. Da ich aber ein große, schlankes Mädchen war, bin ich auch schon mit 13 reingekommen." Wohl alle sechs Filmvorführungen, die damals in ihrem Heimatort liefen, hat sie sich angeschaut. Nicht unbedingt zur Freude der Mutter, der das immerhin drei Mark kostete. Und seither war's um Hilde Kraus geschehen. Sie war - wie man heute sagen würde - ein großer Fan von Johannes Heesters.

Natürlich hat sie später im Fernsehen keine Chance verpasst, den Künstler zu erleben. Und natürlich hätte sie sich nie träumen lassen, ihn persönlich kennen zu lernen.

Doch es sollte anders kommen. Dank Sohn Thomas. Der hat nämlich über ein paar Umwege nach dem Abitur den Weg in die Gastronomie gefunden und landete eines Tages in Neustrelitz in der Theatergaststätte. Wo wiederum seine Leidenschaft fürs Theater geboren wurde. Aber vermutlich wäre das eine Geschichte für sich.

Jedenfalls hat Thomas Kraus seine kulturellen Ambitionen auch dann weiter verfolgt als er vor einigen Jahren in Neustrelitz ein Hotel eröffnet. Nicht irgendein Hotel, sondern das "erste Haus am Platz", wie seine Mutter nicht ganz ohne Stolz Leute zitiert, die es wissen müssen. Und ins Gästebuch vom Hotel Schlossberg haben sich in den letzten Jahren auch viele prominente Persönlichkeiten eingetragen. Leute, die zum Beispiel in Neustrelitz auf der Bühne standen.

So erinnert sich Hilde Kraus, die von der Ankunft solcher Leute natürlich aus erster Hand von ihrem Sohn erfährt, an die Begegnung mit Thomas Rühmann, jenem Doktor Heilmann aus der Fernsehserie "In aller Freundschaft".

"Er stammt auch aus der Altmark, da hatten wir natürlich Gesprächsstoff", so die Kelbraerin. Und so wie dieser Schauspieler kündigten sich irgendwann auch Johannes Heesters und seine Frau Simone Rethel an. Heesters sang nämlich am Dienstagabend auf einer Operettengala in Neustrelitz. Keine Frage, dass Hilde Kraus und ihr Mann in Kelbra wieder Koffer packen würden.

"Sie glauben gar nicht wie aufregend das war. Ich durfte ihn im Hotel begrüßen. Das ist mir wirklich sehr nahe gegangen", versucht Frau Kraus noch Tage später ihre Gefühle zu schildern.

Vier Tage ist der gebürtige Holländer mit seiner Frau in Neustrelitz geblieben. Hilde Kraus - das liegt auf der Hand - natürlich auch. Der Künstler und sein Fan sind sich in dieser Zeit selbstverständlich sehr oft begegnet.

Dass die Kelbraerin auch in der Vorstellung des 101-Jährigen war, versteht sich von selbst. Im Hotel hat es während dieser Zeit mehrere Begegnungen gegeben. "Sehr herzlich war das. Wenn mich Johannes Heesters gesehen hat, hat er immer gesagt: 'Die Mama ist auch wieder da'", freut sich Frau Kraus. Und am letzten Tag hat er sich auch bei mir bedankt für den schönen Aufenthalt." Und das tat der Charmeur nicht schlechthin mit irgendwelchen Worten, sondern mit: "Jetzt darfst du mich auch küssen." Das ist die Geschichte.

Letztlich ins Rollen gebracht hat sie Hotelier Thomas Kraus, der von dieser Begebenheit zunächst in einer kleinen E-Mail die MZ-Lokalredaktion informierte. Und unter anderem schrieb: "Herzliche Grüße an meine Heimat". Die werden hiermit natürlich prompt ausgerichtet.