Kunstflug-Nationalteam in Allstedt Kunstflug-Nationalteam in Allstedt: Deutsche Kunstflieger bereiten sich auf WM vor

Allstedt - Für einen Moment verschwindet Heinrich Sauels kopfüber im Cockpit des blau-roten Sportflugzeuges. Nur seine Beine baumeln aus dem Rumpf. „Ein paar kleine Ölreste abwischen“, sagt der 51-Jährige aus Kempen in Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich zu dem, was der deutsche Kunstflugmeister wenig später mit seinem Sportgerät am Himmel über dem Allstedter Flugplatz anstellt, ist diese kleine Turneinlage sicherlich keine große Herausforderung.
Wieder herausgekrochen, folgt der Rundgang um die Maschine. Flügel, Höhen- und Seitenruder, Bremsen, Fahrwerk, all das inspiziert Sauels mit einem kurzen, geübten Blick. „Alles in Ordnung“, fasst er den Check zusammen. Und die Ölspritzer im Innenraum? Kein Grund zur Sorge, meint Sauels. Dreimal im Jahr gibt er das kleine Flugzeug zur Inspektion ins Werk.
Allstedt hat viele Vorzüge für Sportflieger
Seit zehn Jahren kommt Sauels zusammen mit Ehefrau Heike (51) nach Allstedt. Zweimal im Jahr sind sie für je eine Woche hier. Zum Training. In den vergangenen Tagen bereiteten sie sich gemeinsam auf die bevorstehenden Weltmeisterschaften im August in Frankreich vor. Die beiden teilen sich das Flugzeug, das in etwa so teuer wie ein Luxussportwagen ist. Heike gehört ebenso wie ihr Mann zur nationalen Spitze, wurde DM- Fünfte. Sie ist die einzige deutsche Frau in der „Unlimited“, der höchsten von vier Kunstflugklassen.
Dann geht Sauels rüber zum „Turm“, wie er die kleine Baracke nennt, die als Büro und Funkzentrale des Flugplatzes dient. Hier zieht er seinen blauen Overall und die farblich passenden Spezialschuhe an. Beides aus feuerfesten Material. Seinen kahlgeschorenen Kopf reibt er mit Sonnencreme ein.
Allstedt hat viel zum Erfolg beigetragen, erzählt er. „Die Infrastruktur ist für uns perfekt. Wir können in Ruhe trainieren und stören kaum Leute.“ Schon lange gab es keine Beschwerden mehr, bestätigt Flugplatzleiter Ulrich Reinicke, der Starts und Landungen regelt.
Bevor Heinrich Sauels zum ersten Trainingsflug des Tages abhebt, führt er neben der Rollbahn einen kleinen Tanz auf; macht Stepschritte zur Seite, dreht sich um die eigene Achse. Mentale Vorbereitung: Er geht im Kopf die Übungsreihenfolge durch.
Danach klemmt er den kleinen Handzettel, den Kürplan, neben die Instrumententafel, steigt in die Maschine, zieht die Gurte stramm. Von Heike gibt’s einen Kuss. Heinrich Sauels schließt die durchsichtige Kuppel, schmeißt den 315 PS starken Motor an, testet die Lenkzüge. Mit der Startfreigabe zieht der Propeller den Hobby-Piloten in Sekundenschnelle in die Luft.
Klare Außenseiter bei der WM
Kurz darauf ertönt auf englisch: „Guten Morgen Sergei“. Der Gruß übers Funkgerät gilt Trainer Boriak am Boden. Ein 60-jähriger Kasache, der in den USA lebt, erfahrener Ex-Weltmeisterschaftspilot ist. Mit Adleraugen. Sauels zeigt Loopings, Drehungen, Rückenflug, senkrechtes Aufsteigen, Trudeln, Stürzflüge. Mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometern in der Stunde jagt er durch die Luft. Boriak sieht die kleinsten Fehler und gibt direktes Feedback.
Nach dem ersten Durchgang muss Sauels eine Warteschleife einlegen. Ein Sportflieger kreuzt den eigentlich gesperrten Luftraum. Wenig später ist es ein kleiner Hubschrauber, der die Konzentration stört. Prompt vergisst der amtierende Meister eine komplette Passage. Nach 20 Minuten und mit etwa 30 Liter Kraftstoff weniger im Tank setzt Sauels zur Ladung an.
Bei der WM sind die deutschen Spitzenpiloten als Amateure klare Außenseiter. Flieger anderer Nationen seien meist Profis, verdienen ihren Lebensunterhalt bei Flugshows. Die sind in Deutschland kaum verbreitet. „Oder die Piloten sind bei der Armee angestellt“, erzählen die Sauels. Sie selbst streben bei der WM einen Mittelfeldplatz an. Wer weiß, vielleicht reicht es mit dem Geist von Allstedt doch mal zu einem Überraschungscoup. (mz)
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