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Interview mit Wolfram Koch Interview mit Wolfram Koch: Der Tatort-Star über seine Einar-Schleef-Inszenierung

03.11.2016, 14:00
Wolfram Koch in dem Stück „Ich bins deine Mutter“, mit dem er in Sangerhausen gastiert.
Wolfram Koch in dem Stück „Ich bins deine Mutter“, mit dem er in Sangerhausen gastiert. Veranstalter

Sangerhausen - Die große Mehrheit kennt ihn als Kommissar Paul Brix aus dem Frankfurter Tatort, doch primär ist Schauspieler Wolfram Koch auf den Theaterbühnen unterwegs. Am Freitag kommt er mit seinem Stück „Ich bins deine Mutter“ nach Sangerhausen. Jenifer Hochhaus sprach vorab mit ihm über die Inszenierung und den Sangerhäuser Einar Schleef.

Herr Koch, in „Ich bins deine Mutter“ verarbeiten Sie Briefe und Texte von Einar Schleef. Was hat Sie an Schleef fasziniert?

Wolfram Koch: Nachdem wir uns einmal getroffen haben, habe ich Schleefs Schaffen verfolgt, habe mir Inszenierungen angeschaut und dann angefangen, seine Text zu lesen. Besonders fasziniert haben mich die Menschen, die er beschreibt, die Widersprüchlichkeit von den Figuren, der Humor, die Einsamkeit, die Trauer. Und in der Schriftform kommt seine Sprache zum Teil sehr leicht daher, sie ist aber wahnsinnig kompliziert gebaut.

Apropos Leichtigkeit: Sie haben mal gesagt, dass Sie immer die Komödie in der Tragödie suchen und umgekehrt. Spielt das in der Schleef-Inszenierung auch eine Rolle?

Koch: Das spielt in dem Stück eine Rolle. Es ist zum Teil sehr komisch, was er schreibt. Das liegt nicht an mir, das liegt an Herrn Schleef. Die Leute lachen sehr, amüsieren sich sehr, aber dann wird es wieder ernst. Letztendlich ist es auch ein Abend über Einsamkeit, über Menschen, die in dieser ganzen Maschine Welt rudern und mit ihren kleinen menschlichen Schwächen versuchen zu überleben.

Sie selbst sind ja viel unterwegs und haben eine große Familie. Kennen Sie das Gefühl Einsamkeit denn?

Koch: Ich glaube, jeder Künstler hat und braucht auch Phasen der Einsamkeit. Ich habe kein Problem mit Einsamkeit. Da ich so viel unter Leuten bin und da manchmal so viel Energie um mich rum ist, genieße ich es auch, völlig allein zu sein. Ich glaube, es gehört zum kreativen Prozess dazu, einsam zu sein, in sich zu gehen und nachzuhorchen, was ist da überhaupt. Ich habe dann nicht das Gefühl der Einsamkeit, aber ich kenne auch Momente, in denen man richtig einsam ist. Aber das geht auch wieder vorüber.

Auf der Bühne des Stückes sind Sie ja auch allein.

Koch: Ja, das war ein Problemchen für mich. Das macht Spaß, aber ich bin überhaupt kein Solospieler. Ich bin immer ein Gruppenspieler gewesen und werde das auch bleiben. Das merke ich nach diesem Monolog. Das ist so, als ob Kinder im Sandkasten oder im Spielzimmer auch irgendwann nicht mehr so gern allein spielen, sondern lieber mit anderen. Ich brauche immer Leute um mich rum und meine Mitspieler, mit denen ich interagiere. Und so einen Monolog zu spielen, ist nicht so unbedingt mein Ding, muss ich sagen. Aber es macht Spaß.

Was erwartet den Zuschauer in „Ich bins deine Mutter“? Wie sind Sie herangegangen?

Koch: Der Regisseur Jakob Fedler und ich haben uns aus einem Erzählband von Einar Schleef fünf Erzählungen vorgenommen. Daraus haben wir versucht, Dialogstellen und Erzählstellen herauszuschreiben und einen Monolog gebastelt. Es geht zum Beispiel los mit den Telefonaten seiner Mutter. Die einzige Telefonzelle, von der sie mit ihrem Sohn telefonieren kann, ist in Ostberlin. Sie lebt aber in Sangerhausen, also muss sie vier Stunden in den Zug steigen, um mit ihrem Sohn in Westberlin zu telefonieren. Und da rutschen die Groschen und Markstücke so schnell durch, dass sie sich im Grund kaum etwas sagen können. Das ist sehr komisch und sehr tragisch. Insgesamt sind es fünf Erzählungen, die wir ineinander weben. Also, die Leute können, glaube ich, von Schleef eine Menge mitbekommen.

Sein Thema war ja auch immer die ostdeutsche Provinz und wie der Alltag dort ist. Sie leben seit vielen Jahren in Frankfurt...

Koch: Ich bin in Paris geboren und bin dann mit sieben in ein kleines, rheinisches Dorf gekommen, sprich in die Provinz. Ich kenne die deutsche Provinz auch sehr gut und mag sie. Ich bin auch geflohen vor der Provinz und mag sie immer noch. Und ich möchte trotzdem momentan noch nicht in der Provinz leben. Aber ich glaube, dass es zwischen Ost- und Westdeutschland keine großen Unterschiede in der Provinz gibt.

Was ist aus Ihrer Sicht typisch Provinz?

Koch: Provinz - das sind kleine Räume, kleine Orte, in denen sich die Menschen kennen. In diesen Orten gibt es zumindest auf einem Teil eine relativ heile Welt, was sehr überschaubar ist, und zum anderen gibt es auch immer die Sehnsucht, aus diesem Mief rauszukommen. Und dieser Widerspruch wirkt sich auf die Provinz aus. Alle, die rauskommen, werden beneidet, und gleichzeitig wird sehr kontrolliert, wer in dieser Provinz lebt, wer miteinander was zu tun hat und so weiter. Das ist sehr lustig. Und Menschen, die in der Provinz bleiben, können skurrile Verhaltensweisen entwickeln, die einfach lustig sind, unterhaltsam sind. Ich glaube, das hat Schleef interessiert.

Schleef kam ja auch aus einer eher kleinen Stadt. Kennen Sie seine Heimatstadt Sangerhausen?

Koch: Nein, überhaupt nicht, leider nicht. Aber ich freue mich, sie kennenzulernen. Es ist für mich sehr besonders, dass die Kollegen in Sangerhausen uns eingeladen haben. Da haben wir sofort gesagt, dass wir mitmachen.

Die große Öffentlichkeit kennt Sie aus dem Tatort und von Theaterinszenierungen. Ist es eine Herausforderung zwischen Film und Theater und zwischen den Rollen hin- und herzuspringen?

Koch: Also, das Springen zwischen den Rollen ist nicht das Problem. Es ist einfach eine schöne Aufgabe, diesen Tatort zu drehen, weil diese Redaktion in Frankfurt, finde ich, sehr mutig ist. Das sind die, die noch unheimlich viele Sachen zulassen.

Sie standen ja gerade erst wieder vor der Tatort-Kamera. Können Sie schon was verraten?

Koch: Wir haben jetzt gerade, das darf man verraten, einen Horrorfilm-Tatort, einen richtigen Horrorfilm, gedreht. Der wird allerdings erst in einem Jahr gesendet. Aber zumindest haben wir gesagt: ‚Lass uns mal das Genre so aufmischen, dass es richtig gespenstig wird, dass es unheimlich wird, dass sie richtig Angst haben.’ Und das werden sie bei dem Tatort. Das macht natürlich Spaß. Es ist natürlich anstrengend, weil ich primär Theaterschauspieler bin und meine Theaterstücke spielen will und muss, damit die am Laufen bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch. (mz)