In der Badewanne verbrüht In der Badewanne verbrüht: Behinderter in Heim in Artern schwer verletzt

Artern/Sangerhausen - Ein 38-jähriger Bewohner eines Heimes für geistig und körperlich behinderte Menschen im thüringischen Artern (Kyffhäuserkreis) ist am Donnerstagnachmittag bei einem Bad in der Wanne verbrüht worden.
Er wurde mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik für Brandverletzte nach Halle geflogen. Dem Mann gehe es den Umständen entsprechend, bestätigte Silke Kösling von der diakonischen Stiftung Finneck, die das Heim in der Unstrutstadt betreibt. Er sei nicht lebensgefährlich verletzt worden.
Behinderter in Artern schwer verbrüht: Lag ein technischer Defekt vor?
„Wir prüfen gerade, ob ein technischer Defekt vorliegt oder menschliches Versagen zu dem Unglück geführt hat“, sagte Kösling. Der Behinderte war während des Badens von einer „erfahrenen Pflegekraft“ betreut worden, sagte sie. Demnach habe diese den Schwerstbehinderten mit Unterstützung eines Liftes in die „Wanne gleiten lassen“.
Dabei habe sie erst bemerkt, dass das Badewasser viel zu heiß ist, schildert sie den Vorfall. Kösling zufolge gibt es an den Wasserhähnen einen sogenannten Verbrühschutz, der genau das eigentlich verhindern soll. Warum offenbar dennoch viel zu heißes Wasser in die Wanne lief, ist derzeit noch nicht geklärt. „Das hat uns alle tief erschüttert“, sagte die Geschäftsbereichsleiterin und bedauerte den Vorfall. Mit den Eltern des Verletzten stehe man in engem Kontakt.
Unterdessen ist die Landespolizeiinspektion Nordhausen in dem Fall tätig geworden. „Wir ermitteln wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung,“ sagte Sprecherin Fränze Töpfer der Mitteldeutschen Zeitung.
Parallelen zum Tod eines Rentners in einem Pflegeheim in Beyernaumburg
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt deute jedoch nichts daraufhin, dass hier Vorsatz im Spiel gewesen sei. Gleichwohl stehe man erst am Anfang der Ermittlungen, betonte Töpfer. Die Stiftung Finneck betreibt in Artern neben Werkstätten auch ein Wohnheim für Behinderte.
Im sogenannten Haus Mara werden in drei Gruppen je zwölf Bewohnerinnen und Bewohner mit geistiger Behinderung, schwersten Beeinträchtigungen sowie Verhaltensproblemen rund um die Uhr betreut. Die knapp 400 Mitarbeiter der Stiftung kümmern sich um rund 1.200 Menschen mit und ohne Behinderung
Der Vorfall im thüringischen Artern weist Parallelen zum Tod eines Rentners in einem Pflegeheim in Beyernaumburg auf. Am 21. Februar vergangenen Jahres soll eine 50-jährige Pflegerin einen 79-jährigen halbseitig gelähmten Rentner beim Baden verbrüht haben.
Der Mann konnte nach einem Schlaganfall, den er zuvor erlitten hatte, nicht mehr sprechen so auch keine Hilfe holen. Er starb sechs Tag später in einer Spezialklinik an seinen Verletzungen, die er in der Badewanne erlitten hatte.
Prozessbeginn gegen Pflegerin aus Beyernaumburg noch offen
Die Pflegerin habe es versäumt, in der Wanne die Wassertemperatur mit einem Thermometer und mit der Hand zu prüfen. Beides sei vorgeschrieben, sagte ein Sprecher der halleschen Staatsanwaltschaft. Sie wirft der Frau fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor.
Der Prozess gegen die Frau sollte eigentlich bereits Anfang Februar vor dem Schöffengericht in Sangerhausen beginnen. Das Verfahren platzte jedoch, da die Angeklagte kurzfristig erkrankte. Ihr Anwalt, der aus TV-Sendungen bekannte Strafverteidiger Christopher Posch, reichte ein ärztliches Attest ein. Demnach ist die Frau auf unbestimmte Zeit verhandlungsunfähig.
Eine Sprecherin des Amtsgerichts kündigte am Freitag auf Anfrage an, dass das Gericht die Frau begutachten lassen werde. Dabei soll es um die Fragen gehen, ob sie wirklich verhandlungsunfähig ist und wenn ja wie lange die Verhandlungsunfähigkeit noch dauern wird. Der 50-Jährigen drohen in dem Prozess bis zu fünf Jahre Haft.
Patientenschützer hatten im Vorfeld des geplanten Prozesses in Sangerhausen Konsequenzen gefordert, etwa den verpflichtenden Einbau eines sogenannten Verbrühschutzes in Badewannen und Waschbecken auch in Pflegeheimen, zusätzlich zum Thermometer und der Handprüfung der Wassertemperatur. Nach der geltenden Mindestbauverordnung für Pflegeheime ist dieser anders als in Krankenhäusern nicht vorgeschrieben.
Ergebnisse, warum der Verbrühschutz, das Unglück in Artern nicht verhindert hat, sollen in den nächsten Tagen vorliegen. (mz)