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Heimatgeschichte aus Stolberg Heimatgeschichte aus Stolberg: Hochzeitsfest im Fürstenhaus

Von Wolfgang Knape 27.01.2016, 10:22
Auf grünem Teppich: das Fürstenpaar auf dem Weg zur Schlosskapelle.
Auf grünem Teppich: das Fürstenpaar auf dem Weg zur Schlosskapelle. Repro/Wolfgang Knape Lizenz

Stolberg - Der Januar 1933 war schneereich und kalt. Der Rhein war zugefroren, in Teilen Mitteleuropas fiel die Temperatur zuweilen auf minus 30 Grad. In Stolberg aber herrschte Hochstimmung! Kein Wunder: Kurz vor Weihnachten war schließlich die Verlobung des 29-jährigen Fürsten Wolff-Heinrich zu Stolberg-Stolberg mit Fräulein Irma Erfert aus Magdeburg bekanntgegeben worden. Und nun befand sich die gesamte Stadt in Erwartung des großen Ereignisses im Hochzeitstaumel.

Wolfgang Knape, 1947 in Stolberg geboren, studierte Bibliothekswesen und absolvierte das Institut für Literatur „Johannes R. Becher“. Seit 1981 lebt er als freiberuflicher Schriftsteller in Leipzig.

In „eine Bürgerliche“ verguckt

Genau betrachtet, hätte es auch ganz anders kommen können. Dann wäre man nicht im Harz, sondern in Den Haag zum Traualtar geschritten. Die niederländische Kronprinzessin Juliana (sechs Jahre jünger als der Fürst und seit ihrem 18. Geburtstag formell die Thronfolgerin des Hauses Oranien) hatte hier einst für Aufsehen gesorgt, als sie überraschend in Stolberg aufgetaucht und mit ihrem Auto zum Schloss hinaufgefahren war, um den jungen Fürsten in Augenschein zu nehmen. Mit gewissen Heiratsinteressen, wusste man sich noch lange nach dem Krieg in Stolberg zu erzählen, sobald die Rede auf die Hochzeit kam. Der Fürst soll der fernen Verwandten allerdings einen Korb gegeben haben. Ihrer Beine wegen, munkelten die einen. Mein Großvater und die Stammtischler wussten es aber besser: Wolff-Heinrich hätte sich zu diesem Zeitpunkt schon längst in eine andere „verguckt“ gehabt. Und die stammte aus Perleberg! War in Magdeburg-Buckau aufgewachsen und als „Haustochter“ in die Familie des Bürgermeisters Gropengießer nach Stolberg gekommen. Und seit sie dort wohnte, erschien der junge Fürst häufiger zum Nachmittagstee im Hause des Stadtoberhauptes. Die Absicht, „eine Bürgerliche“ zu heiraten, stieß in seiner Verwandtschaft auf großes Unverständnis und Ablehnung. Und auch dazu wussten die alten Stolberger manches zu berichten. Dass sich „ihr“ Fürst letztendlich doch durchgesetzt und das Fräulein Erfert erwählt hatte, begeisterte die Bevölkerung sehr.

Feierlichkeit streng reglementiert

Die Festlichkeiten zur Eheschließung waren für das vorletzte Januar-Wochenende vorgesehen. Bereits zu Anfang des Monats hatte der Kammerpräsident Dr. Schlitzberger den genauen Ablaufplan öffentlich gemacht. Denn wie bei allen großen Häusern verliefen solche Feierlichkeiten nach einem alten und strengen Reglement, wie es auch schon bei Johann Gottfried Schnabel, der zwei Hochzeiten im hiesigen Grafenhaus miterlebt und beschrieben hatte, nachzulesen ist. Den Auftakt machte ein Fackelumzug am 21. Januar, der ein Sonnabend war. Wie bei den späteren Maiumzügen meiner Kindheit versammelten sich die damals noch sehr zahlreichen Stolberger Vereine auf dem Bahnhofsgelände. Dann ging es unter den Klängen von drei Kapellen durch die Niedergasse zum Marktplatz und in die Neustadt hinauf. Angeführt wurde der Zug vom Schützenmeister und Revierförster Wegener.

Wie das Brautpaar und die Gäste nach dem Umzug feierten, lesen Sie auf Seite 2.

Festumzug und Feuerwerk

Es folgten die Schützengilde und die beiden Gesangsvereine. „Concordia“ aus Rottleberode. Die Bogenschützen. Der Krieger-, der Bürger-, der Männerturnverein. Pflichtfeuerwehr, Sanitätskolonne und Fußballclub. Der Stahlhelm natürlich, die zahlreichen Waldarbeiter, der freiwillige Arbeitsdienst… Durch die Töpfergasse und über den Schlossberg marschierte der Zug zum Schloss. Der Innenhof konnte die fast 2 000 Gratulanten kaum fassen. Jäger bliesen auf blitzenden Hörnern den „Fürstengruß“, und im Namen der Vereine und der Bürgerschaft begrüßte der Bürgermeister das auf einem Podium stehende Paar. Dann ergriff der Schützenhauptmann Ernst Ehrhardt das Wort. Auch er sprach seine Glück- und Segenswünsche aus, die Braut und Bräutigam gerührt entgegennahmen. Die einen ließen nun das Brautpaar dreifach hochleben, der Fürst wiederum brachte ein Hoch auf die Stadt und die Bürgerschaft aus. Dann erfolgte der Abzug durch die drei Tore. Über den Waschberg und durch die Rittergasse ging es zurück zum Marktplatz. Dort setzte der Schützenhauptmann, der auch Besitzer des Gasthauses „Weißes Ross“ war, noch einmal zu einer patriotischen Rede an. Darauf wurden die Fackeln abgelegt und auf dem sogenannten „Waisenberge“ und vor dem „Eichenhölzchen“ begann ein großartiges Feuerwerk.

„Auf den in winterliches Weiß gehüllten Abhängen warfen die sprühenden, in allen Farben glühenden, pfeifenden und krachenden pyrotechnischen Wunderwerke des Herrn Hellwig, Uftrungen, ihre Reflexe“, beschrieb der Fürstliche Hofbuchdrucker Fritz Buresch das Ereignis wenige Tage später im „Stolberger Anzeiger“.

Erst standesamtlich, dann kirchlich

Das Fürstenpaar fuhr an diesem Abend im offenen Wagen durch die illuminierte und überaus festlich geschmückte Stadt und nahm dabei die Glückwünsche der in ihren Vereinslokalen und auf den Plätzen Feiernden entgegen. Gegen Mitternacht verließ der Sonderzug mit 700 Personen die Stadt. In Stolberg aber feierte man noch bis weit in die Morgenstunden hinein.

Am folgenden Vormittag nahm der Bürgermeister Gropengießer im großen Empfangszimmer die standesamtliche Trauung vor. Anschließend trat der Hochzeitszug aus dem Hauptportal und schritt unter dem vollen Geläut der Kirchenglocken über einen dichten Teppich aus Tannengrün zum Eingang der Schlosskapelle. Voran ging der Haushofmeister Fischer, ihm folgten zwei in Galauniform gekleidete Offizianten, das „Hohe Brautpaar“, die Gräfin Therese zu Stolberg-Stolberg, die Schleppe der Braut tragend, die nächsten Verwandten, die Eltern der Braut… Deren Schwester wurde vom Grafen Nikolaus von Luckner geführt, dem Bruder des legendären „Seeteufels“, der mit seiner Frau eigens aus Halle angereist war. Am Eingang empfingen die beiden ersten Geistlichen des Stolberg’schen und Hohnstein’schen Konsistoriums das Paar. Die Trauung vollzog in Vertretung des erkrankten Hofpredigers Dr. Gentsch Domprediger Richter aus Berlin.

Wertvolle Geschenke überreicht

Im Großen Kirchzimmer nahmen die Frischvermählten anschließend die Glückwünsche ihrer Angehörigen entgegen. Danach begab man sich zum „großen roten Empfangszimmer“, wo sich die zur Tafel geladenen Gäste schon aufgestellt hatten. In Frack mit weißer Binde oder in Großer Uniform oder in Großem Dienstanzug der betreffenden Vereine. Kammerpräsident Schlitzberger überbrachte die Glück- und Segenswünsche der Beamtenschaft. Dem schlossen sich die anderen Geladenen an. Schützenhauptmann Ehrhardt überreichte ein silbernes Kaffeeservice, der Bürgermeister eine Silberschale mit Kristalleinsatz. Kostbare Leuchter wechselten ihre Besitzer. Eine Bibel und eine in Stolberg gegossene historische Ofenplatte überreichten die Vertreter der kirchlichen Körperschaften. Das Festessen wurde im Blauen Saal eingenommen. Die „Stolberger Bombe“ gab es auch. Nach Aufhebung der Tafel erfolgte noch ein „zwangloses Beisammensein in den neuen Zimmern“. Damit fand die Feierlichkeit ihren Abschluss.

Am Abend ließen Beamte und Pensionäre im Beisein des Kammerpräsidenten das Paar bei Bier und Wein im „Schützenhaus“ (heute „Chalet Waldfrieden“) noch einmal kräftig hochleben. Doch da hatten der Fürst und die Fürstin Stolberg bereits verlassen und ihre Hochzeitsreise angetreten. Aus Arosa im Kanton Graubünden bedankten sie sich bei all jenen, die diesen Hochzeitstag zu einem der schönsten Tage in ihrem Leben haben werden lassen. „Wir grüßen das ganze liebe Stolberg!“, endete der Gruß, den Fritz Buresch umgehend in seinem dreimal wöchentlich erscheinenden „Stolberger Anzeiger“ abdruckte. Dass dieses unvergessliche Ereignis und die Verbundenheit vieler Stolberger mit dem Fürstenhaus ein Vierteljahrhundert später einen heute schwer nachzuvollziehenden tragischen Ausgang nehmen sollte, wird Inhalt eines weiteren Beitrages sein. (mz)

Was man so speiste - die Karte hatte der Gastwirt und Schützenhauptmann Ernst Ehrhardt aufbewahrt.
Was man so speiste - die Karte hatte der Gastwirt und Schützenhauptmann Ernst Ehrhardt aufbewahrt.
Repro/Wolfgang Knape Lizenz