Gewerkschaft äußert Verdacht Gastronomie: Gewerkschaft befürchtet Trickserei beim Trinkgeld

Sangerhausen - Tricksen Gastronomen in der Region beim Trinkgeld ihrer Angestellten? Diesen Verdacht hegt man offenbar bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Eine kürzlich herausgegebene Pressemitteilung trägt die Überschrift: „NGG warnt Gastronomen im Kreis Mansfeld-Südharz vor Trinkgeld-Trickserei“.
Gastronomie: Wo landet das Trinkgeld?
Demnach gehe ein Teil der 1.900 Beschäftigten, die laut NGG im Landkreis im Gastgewerbe arbeiten, beim Trinkgeld leer aus oder müssen zumindest einen Teil davon an den Chef abgeben. Gerade in kleinen Betrieben komme es immer wieder vor, dass der Chef die Trinkgeld-Kasse selbst verwalte.
Das Extra, mit dem sich Gäste für leckeres Essen und freundliche Bedienung bedanken, gehöre aber den Kellnern und Köchen, sagt Jörg Most, Geschäftsführer der NGG in der Region Leipzig-Halle-Dessau.
Die Mitarbeiter, die ja alle zusammen ihren Anteil am Gasterlebnis hätten, müssten selbst regeln, wie sie die Extra-Einnahmen unter sich aufteilen, meint Most. Weil in der Branche aber viele nur befristet oder in einem Minijob arbeiten würden, trauten sie sich aus Angst um ihre Stelle nicht, gegen Trinkgeld-Trickserei durch den Chef vorzugehen.
Sangerhausen: Gemeinsamer Trinkgeld-Topf im "Manni's Lou"
Doch wie handhaben die Chefs denn nun die Sache mit dem Bonus, den der Gast am Tisch oben drauflegt? „Bei uns geht alles in einen Topf und am Abend wird es aufgeteilt - gerecht“, sagt Manfred Aull, der in Sangerhausen die Gaststätte „Manni’s Lou“ betreibt. Der gemeinsame Topf soll dafür sorgen, dass nicht nur Kellner etwas vom Trinkgeld haben, die unmittelbar Kontakt zum Gast haben, sondern auch alle anderen Mitarbeiter, die sich um Essen und Getränke kümmern.
Ähnlich läuft es im Waldcafé am Kunstteich bei Wettelrode. Chefin Petra Trojovsky hat früher als Angestellte selbst erfahren, wie ungerecht es mit dem Trinkgeld laufen kann. „Zu DDR-Zeiten habe ich in der Küche gearbeitet - wir haben nie was vom Trinkgeld gesehen“, erzählt sie. Schon deshalb will sie, dass es im Waldcafé gerecht zugeht.
Aufteilung des Trinkgeldes unter dem Personal
Auch dort kommt der Bonus in einen gemeinsamen großen Topf, aus dem er dann je nach den geleisteten Stunden unter dem Personal aufgeteilt wird. Der Gast honoriere schließlich das gesamte Drumherum und nicht allein die Bedienung. Nur wenn alle zusammen an einem Strang ziehen, stimmt am Ende das Erlebnis.
Einmal im Jahr gehen deshalb die Belegschaften vom Waldcafé und dem Sangerhäuser Rüssel-Pub, den Trojovskys Mann Thomas betreibt, gemeinsam auf Betriebsfahrt. „Im Frühjahr schließen wir die beiden Gaststätten zu und reisen drei Tage irgendwo hin, wo es schön ist“, erzählt die Chefin. Paris, Tschechien, Mallorca und Berlin waren schon Ziele. Trojovsky weiß, wie schwierig es geworden ist, gutes Personal zu finden. Umso wichtiger ist die Stimmung im Team.
Im Sangerhäuser Rosenhotel sammeln die Kellner das Trinkgeld ebenfalls in einer Gemeinschaftskasse und teilen es dann unter sich auf, hieß es auf MZ-Anfrage.
Höhe des Trinkgeldes
Anders als etwa in Italien ist das Trinkgeld in Deutschland nicht Bestandteil des regulären Einkommens, sondern komme tatsächlich als steuerfreier Bonus oben drauf, erklärt Gewerkschafter Most. Wer mit Küche und Service zufrieden sei, der sollte sich gern mit einem Trinkgeld bedanken. Mit zehn Prozent des Rechnungsbetrages mache man nichts falsch, meint er.
Knigge-Experten empfehlen fünf bis zehn Prozent des Rechnungsbetrages als Trinkgeld - je niedriger die Rechnung, umso höher der Prozentsatz. Doch nicht jeder hält es so. Das Branchenportal Hogapage zitiert eine Umfrage der Marktforschungsplattform Mingle, der zufolge in Ostdeutschland nur 43 Prozent der Gäste ein Trinkgeld von sechs bis zehn Prozent aufschlagen und mehr als jeder Zwölfte gar kein Trinkgeld gibt. Im Bundesdurchschnitt geben laut Mingle dagegen mehr als die Hälfte der Befragten sechs bis zehn Prozent und nur fünf Prozent legen gar nichts drauf. (mz)