Fotoatelier in der vierten Generation
Sangerhausen/MZ. - "Es war eine ganz schöne Umstellung, von der lebhaften Ecke an der Bahnhofstraße hier raus zu ziehen", sagt der 78-jährige Hans-Joachim Schwabe aus Sangerhausen, der seinen Goldenen Meisterbrief am Mittwoch in Halle bekommen hat.
Vor zwölf Jahren haben Marie-Luise und Hans-Joachim Schwabe ihr Fotoatelier an Tochter Sabine Strelow übergeben und sich zur Ruhe gesetzt. Im doppelten Sinne des Wortes: Auf dem Sangerhäuser Schlossberge ist es dem Ehepaar aber manchmal fast zu ruhig - nach all dem Trubel, den beide ihr Arbeitsleben lang hatten.
"Mein Opa Wilhelm Schwabe hat 1890 das Geschäft gegründet, mein Vater Willy hat es 1928 übernommen. Ich wäre wahrscheinlich nicht in den Laden eingestiegen, aber mein Vater war schwer krank", erzählt der Goldmeister. "Ich hatte keine Geschwister und wollte eigentlich studieren, vielleicht Zahnmedizin, aber dann kam's anders." Als er zum Ende der dreijährigen Lehrzeit mitten in der Gesellenprüfung steckte, starb der Vater. Am 3. Dezember 1954 hatte Hans-Joachim Schwabe schließlich seinen Meisterbrief in der Tasche, den Betrieb mit stets acht bis zehn Mitarbeitern schon 1950 übernommen. "Die erste Zeit bin ich mit dem Fahrrad ,losgeritten', dann hatte ich einen Motorroller", erzählt er. Er habe am liebsten Porträts fotografiert, und Kinder.
FotografinGute Kontakte habe es immer zu den Fotografen in Allstedt, Stolberg und Roßla gegeben: "Wir waren alle in der Berufsgruppe und haben uns gegenseitig ausgeholfen. Und überhaupt viel improvisiert!" Zum Glück habe er einen findigen Elektriker an der Hand gehabt, der sich mit Foto- und Labortechnik bestens auskannte.
Nur selten sei ein Arbeitstag kürzer als zwölf Stunden gewesen. Von den vielen Sonnabendterminen ganz zu schweigen, an denen Hochzeiten und Jugendweihen zu fotografieren waren. "Andere sind ins Grüne gefahren und wir ins Atelier gegangen", erinnert sich Ehefrau Marie-Luise, ebenfalls Fotografin, mit Humor. Und trotzdem blieb Zeit für die vier Kinder, von denen zwei beruflich in die Fußstapfen der Eltern getreten sind.
Der große Einschnitt sei mit der Wende gekommen, blickt der 78-Jährige zurück. Labors waren plötzlich überflüssig, sechs Mitarbeiter mussten gehen, die Technik wurde völlig umgerüstet, das Atelier von vorn bis hinten erneuert, der Handel mit Kameras und Filmen ausgebaut. Von seinem Vater hat Hans-Joachim Schwabe zu Beginn der Lehre die erste Kamera bekommen, die hat er nicht mehr. Aber andere. Auch Vergrößerungsgeräte, Filmkameras und Stative schlummern noch wohlverwahrt auf dem Dachboden. Die Lampen haben sich Diskotheker geholt.
Fotoalben gibt es bei Schwabes zu Hause nicht. Aber dafür einige Fotos im Wohnzimmer.