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Feuerserie in Kelbra Feuerserie in Kelbra: Eine Stadt in Angst

Von Ralf Kandel und Frank Schedwill 21.11.2018, 11:14
Auf dem Hof des Grundstücks in der Frankenhäuser Straße zeigt sich nach dem Brand ein Bild der Verwüstung.
Auf dem Hof des Grundstücks in der Frankenhäuser Straße zeigt sich nach dem Brand ein Bild der Verwüstung. Kandel

Kelbra - Kurz vor Mitternacht. Normalerweise herrscht um diese Zeit Ruhe in Kelbra. Nachtleben gibt es nicht in der Kleinstadt am Fuß des Kyffhäusers. Schon gar nicht an einem Montag.

Diesmal ist alles anders. An der Kreuzung der Tilledaer und der Frankenhäuser Straße stehen Polizeiwagen. Überall ist Blaulicht zu sehen, Feuerwehrleute rollen Schläuche aus.

Vom oberen Ende der Drehleiter wird Wasser auf ein Haus gespritzt, versuchen die Feuerwehrleute der Flammen Herr zu werden, die aus einem Schuppen der „Alten Post“ schlagen. Wie sich später herausstellt, hat der Brandstifter, der die Kleinstadt seit Monaten im Atem hält, auch dieses Gebäude ansteckt.

22 Brände in einem Jahr

Es ist der 22. Brand seit Oktober vergangenen Jahres. Zuvor waren unter anderem Reifenstapel, ein Stall und drei Lastzüge in Flammen aufgegangen. Der Schaden geht in die Hunderttausende Euro.

Ermittler der Kripo sprechen von einer Serie, die zumindest in Mansfeld-Südharz bisher ohne Beispiel ist. Vermutlich ist sie das auch weit darüber hinaus. Konkrete Angaben dazu gibt es aber selbst vom Landesinnenministerium nicht.

Nicht weit entfernt steht Kelbras Bürgermeister Lothar Bornkessel (Freie Wähler). Er spricht mit vereinzelten, aufgeregten Passanten, die durch die Sirene und das Blaulicht angelockt wurden. Sie wollen wissen, was in der Stadt los ist.

Geschäftsgrundlage in Rauch aufgelöst

„Man kann nicht mehr ruhig schlafen“, sagt eine Frau, die ihren Namen nicht nennen will. „Jeder hat Angst, sein Haus könnte das nächste sein, das in Flammen aufgeht.“ Auch Ingo Grunewald, der in der „Alten Post“ eine Fahrschule betreibt, ist fassungslos.

In dem Schuppen sind vier seiner Motorräder verbrannt. „Ein Roller, eine 125er, eine 500er, eine 600er, alle habe ich für meine Fahrschule genutzt. Alles ist jetzt hin“, sagt Grunewald.

Der Sachschaden wird von der Polizei auf etwa 25.000 Euro geschätzt. Der Fahrschulbesitzer kann das, was er sieht, irgendwie nicht glauben.

Er weist auf einen Platz vor dem Gebäude, auf dem jetzt die Schläuche liegen. „Hier habe ich manchmal mit den Fahrschülern bei schönem Wetter zusammen gesessen“, sagt er und schüttelt er mit dem Kopf.

Keine Sonderkommission bei der Polizei

Auch Bornkessel ist fassungslos. Nachdem vergangene Woche eine Scheune im wenige Kilometer entfernten Sittendorf in Flammen aufgegangen war, hatte er bereits die Polizei aufgefordert, eine Sonderkommission einzusetzen: „Das Maß ist voll. Wenn erst Menschen zu Schaden kommen, ist es zu spät.“

Die Polizei betont unterdessen fast gebetsmühlenartig, sie sei nicht untätig: „Auch wir betrachten die Entwicklung mit Sorge“, sagt Polizeisprecherin Steffi Schwan. Sie verstehe, dass es den Bürgern viel zu lange dauert, bis der Brandstifter gefasst ist.

Es seien aber mehrere Spezialisten des Fachkommissariates II der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd mit der Aufklärung der Serie befasst, so dass man keine Sonderkommission benötige.

Aus ermittlungstaktischen Gründen will die Sprecherin aber nichts Näheres zu den eingeleiteten Maßnahmen sagen.

Feuerwehr im Dauereinsatz

Feuerwehreinsatzleiter Jens Barthel ist jedenfalls froh, dass das Feuer noch einmal glimpflich abgegangen ist. „Das war Minutensache“, sagt er.

Nur durch das schnelle Eingreifen von rund 50 Feuerwehrleuten aus Kelbra und umliegenden Orten seien die Flammen nicht auf das benachbarte Wohnhaus übergesprungen.

„Ein bisschen später und das Haus hätte lichterloh gebrannt“, betont er. Barthel findet die Feuer mittlerweile beängstigend.

„Es ist immer das gleiche Muster. Es ist wieder in etwa die gleiche Uhrzeit, in der es zu brennen anfängt.“

Er könne sich nur bei seinen Feuerwehrkameraden für die große Einsatzbereitschaft bedanken. Nach dem nächtlichen Löschen müssen die meisten wieder früh zur Arbeit. Kein Wunder, dass einige mit ihren Kräften und Nerven am Ende sind.

Ein Feuerwehrmann sagt: „Wenn sie den Brandstifter erwischen, sollten sie ihn auf dem Markt auspeitschen. Mir reicht es langsam.“ (mz )

Mit Hilfe der Drehleiter aus Roßla löschten die Wehrleute von oben.
Mit Hilfe der Drehleiter aus Roßla löschten die Wehrleute von oben.
R. Kandel