Familienbetrieb muss schließen Familienbetrieb muss schließen: Im Fisch-Eck geht der Ofen aus

Sangerhausen - Noch liegen Räucherlachs, Aal, Heilbutt und Rotbarsch unter der Glastheke, gehen mittags bis zu 40 Fischgerichte und 100 Fischbrötchen über den Ladentisch.
Doch in wenigen Tagen wird es damit vorerst vorbei sein. Brigitta und Horst Apitius schließen zum 31. Dezember mit ihrem Fisch- und ImbissEck die einzige Fischverkaufsstelle im Zentrum der Kreisstadt.
Genau 30 Jahre lang hatten sie den Laden an der Ecke Kylische Straße/Voigtstedter Straße betrieben.
Mit 75 in den Ruhestand
Die beiden Händler gehen mit Wehmut. Denn obwohl sie 72 und 75 Jahre alt sind, hätten sie gern noch ein bisschen weiter gemacht. „Aber die Gesundheit lässt das nicht zu. Es geht einfach nicht mehr“, sagt Horst Apitius mit Tränen in den Augen.
Mit seiner Frau hatte der gelernte Gastwirt am 1. Januar 1989, also noch vor der politischen Wende in der DDR, das Geschäft übernommen.
Beide standen bis zuletzt selbst im Laden. Außerdem waren von Anfang an Kathrin Launicke und ab 1994 dann Elke Dauer als Verkäuferinnen mit dabei.
Kunden sind traurig
Bei den Kunden hat es sich mittlerweile herumgesprochen, dass es das Traditionsgeschäft bald nicht mehr geben wird. „Viele Kunden sind regelrecht traurig“, erzählt Kathrin Launicke.
„Manche haben uns sogar Pralinen gebracht. Wir hatten sehr viele Stammkunden“, sagt sie. Die Käufer seien nicht nur aus Sangerhausen, sondern auch aus Eisleben, Artern, Roßleben oder Ringleben im benachbarten Kyffhäuserkreis in das Geschäft mit der grüngekachelten Fassade gekommen, das immer auch einen etwas nostalgischen Charme versprühte.
„Sie wussten, dass bei uns alles frisch ist“, sagt Launicke: „Mehrmals pro Woche kam Ware aus einem Lager in Leipzig beziehungsweise direkt aus Bremerhaven an der Nordsee.“
Keine Chance gegen große Supermärkte
War das Geschäft erst als reine Fisch- und Wildverkaufsstelle gedacht, ist zuletzt der Imbiss das Hauptstandbein gewesen.
Der Geflügel- und Wildverkauf war bereits einige Jahre nach der Wende weggebrochen. „Gegen die Großmärkte auf der grünen Wiese hatten wir keine Chance“, sagt Horst Apitius.
Acht bis zehn verschiedene Fischgerichte hatte der kleine Laden täglich im Angebot. Ab 6.30 Uhr wurden die Salate vorbereitet, später ging es an die Zubereitung der Mittagessen.
„Wir hätten es uns auch einfach machen, Salate und Beilagen zukaufen können. Wir haben uns aber mit Qualität von der Konkurrenz absetzen wollen“, betont Apitius.
Immerhin gibt es im Sangerhäuser Zentrum eine ganze Reihe Möglichkeiten, mittags etwas zu essen. Neben Gaststätten bieten Fleischer einen Imbiss an, gibt es Döner- und Wurststände.
„Und Fisch ist naturgemäß teurer als ein Döner oder die Bratwust an der Ecke“, fügt Verkäuferin Launicke hinzu. Sie hat mit ihrer Kollegin lange überlegt, ob sie beide das Geschäft nicht weiterführen sollten, sich am Ende aber dagegen entschieden.
„Es kommen immer weniger Menschen in die Innenstadt, viele Geschäfte stehen leer. Es fehlt ein Magnet, wie es ihn beispielsweise mit der Südharz-Galerie im benachbarten Nordhausen gibt.“ Auch mit der Parkplatzsituation sei es nicht zum Besten bestellt.
Neue Mieterin will wieder Fisch anbieten
Lange leer stehen soll das Traditionsgeschäft aber nicht: Zumindest der Verkauf wird wahrscheinlich im kommenden Jahr weitergehen.
Kurt-Matthias Heider, der Hauseigentümer, will die Ladenräume an eine Interessentin vermieten, die im Sangerhäuser Zentrum bereits ein Geschäft betreibt.
„Eine mündliche Zusage von ihr gibt es schon“, sagt Heider. Die neue Mieterin wolle auch wieder Fisch anbieten.
Bis zur Neueröffnung, die Heider für Ende März, Anfang April kommenden Jahres plant, werde umgebaut. „Die Pläne liegen gerade beim Architekten. Der Verkaufsraum, die zugehörigen Hygiene- und Personalräume werden auf den neuesten Stand gebracht“, kündigt Heider an.
Das sei sicher auch in Interesse der Vorfahren seiner Familie. Die Großeltern seiner verstorbenen Frau hatten das Geschäft gegründet, später deren Eltern ebenfalls einen Fisch- und Wildhandel dort betrieben - bis Brigitta und Horst Apitius ihn 1989 übernahmen.
Auch Horst Apitius freut sich, dass es wahrscheinlich weitergehen wird. Mit einem Schild oder einer Aufschrift auf den Schaufenstern wollen er, seine Frau und die beiden Verkäuferinnen sich in den nächsten Tagen noch bei ihren Kunden für deren Treue bedanken.
Und dann steht ein Gang an, vor dem sich der 75-Jährige, so gibt er freimütig zu, etwas fürchtet: „Am 31. Dezember hier den Schlüssel umzudrehen und den Laden für immer abzuschließen, das wird ganz schwer.“ (mz)