Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg: Goldschmied restauriert Perlenhaube

Questenberg - Behutsam nimmt Goldschmied Ulrich Sieblist das Gestell aus dünnen Kupferdrähten vom Tisch. „Es ist eine Nachbildung des Grundgestells der Perlenhaube, die zur Zeit in der Ausstellung „Im Land der Palme“ in der Moritzburg in Halle zu sehen ist“, sagt er. Er hat das kostbare Schmuckstück restauriert und die Nachbildung, die so genannte „Interimshaube“, als Andenken behalten. Die Perlenhaube ist ein Frauenschmuck aus der Renaissancezeit. Das rund 400 Jahre alte Original besteht aus Golddraht. Darauf sind mit dünnem Silberdraht mehrere hundert kleine Süßwasserperlen, Spangen, emaillierte Zierstücke und Rosetten aus Gold befestigt. „Die nur wenige Millimeter großen Perlen sind alle durchbohrt“, sagt Sieblist. Selbst für den Fachmann ist es ein Rätsel, wie man damals solche kleinen Löcher bohren konnte. „Perlen sind im Kern sehr hart“, sagt er. Für die Restaurierung befestigte er die Einzelteile auf die Interimshaube, reinigte jedes für sich, nahm Ausbesserungen vor und setzte sie wieder zusammen. Diese Arbeiten nahmen über ein Vierteljahr in Anspruch. Heute glänzt sie wieder wie neu.
Ulrich Sieblist hat sich auch mit der wechselhaften Geschichte dieses Schmuckes beschäftigt. „Sie ist genauso interessant wie die Kunst der damaligen Goldschmiede“, sagt er. Beim Bau einer Kaserne in Halle/Saale wurde im Jahre 1901 von den Bauarbeitern beim Ausschachten im Boden ein Gefäß mit Schmucksachen und Kunstgegenständen gefunden. Sie teilten den Schatz heimlich unter sich auf, mussten ihn aber nach bekanntwerden abliefern. Zunächst kam er in das Kunstgewerbe-Museum nach Berlin und kehrte später in die Saalestadt, in das dortige Moritzburg-Museum, zurück. Darunter waren Bruchstücke einer Perlenhaube. Diese setzte drei Jahre später der Juwelier Schaper in Berlin als eine freie Rekonstruktion zusammen. Vorbilder gab es dafür nicht. Die Haube wurde mehrfach ausgestellt und fand zahlreiche Bewunderer. Da tauchten 1913 plötzlich weitere 52 Goldemaillestücke und etwa 100 Perlen auf. Sie waren im Besitz des Obsthändlers Böhme. Er war der Annahme, dass der Diebstahl von 1901 verjährt sei und wollte sie dem Museum verkaufen. Der Oberbürgermeister Rive ließ den Schmuck beschlagnahmen und es kam zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, die Böhme verlor. Er verschwand spurlos und wurde von der Kriminalpolizei gesucht. Die lokale Presse berichtete ausführlich darüber. Das Moritzburg-Museum stellte die nunmehr anscheinend komplette Haube in einer eigens angefertigten Sicherheitsvitrine aus. Die neu hinzugekommenen Teile wurden aber nicht eingefügt.
Als rund 100 Jahre später Ulrich Sieblist die Restaurierung durchführte, lehnte er den Neuaufbau der Haube ebenfalls ab. „Es wäre nur eine Phantasiekonstruktion geworden“, erklärte er. „Da sie 1901 zerstört wurde, gibt es kein Bild vom ursprünglichen Aussehen.“
Aus den Fundumständen schloss der damalige Direktor des Museums, Max Sauerlandt, dass es sich um eine Arbeit einheimischer Goldschmiede handelt. „Vielleicht stammen die Perlen sogar von Muscheln aus der Saale“, mutmaßt Sieblist. „Die Haube kann zum Schmuck einer vermögenden Bürgerin gehört haben aber auch zu kultischen Zwecken verwendet worden sein.“ Dieses Stück ist bisher einmalig und gehört zu den wertvollsten Objekten der Ausstellung. (mz)
