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Aus Angst nicht zur Schule? Aus Angst nicht zur Schule?: Wie Sozialarbeiter Opfern von Mobbing helfen

19.03.2019, 11:14

Sangerhausen - Wenn das Kind nicht mehr zur Schule gehen will, wenn es vielleicht gemobbt wird, was kann man da tun? Yvette Becker-Schulz arbeitet seit 2016 über das CJD Sangerhausen als Schulsozialarbeiterin an der Grundschule in Roßla und seit einigen Wochen zusätzlich auch an der Grundschule Südwest in Sangerhausen. Sie weiß, dass gerade das Sozialverhalten an den Schulen problembehaftet ist und zu Konflikten führen kann. Da Strategien zu finden, die den Kindern helfen, sich wieder wohlzufühlen, ist ein wichtiger Teil der Tätigkeit eines Schulsozialarbeiters. Das Gespräch führte Beate Thomashausen.

In Grundschulen sind die Kinder doch noch so klein. Da gibt es doch bestimmt noch keine Schulprobleme?

Yvette Becker-Schulz: Leider ist das so nicht ganz richtig. Auch wenn die jüngsten Schüler grundsätzlich erstmal neugierig auf Schule sind, sehen sie sich häufig schon mit den vielschichtigsten Problemlagen konfrontiert. Ich denke zum Beispiel an Trennungskinder, von denen manche eine Angst entwickeln, dass sie alleingelassen werden, eine Trennungsangst. Das kann sich negativ auswirken. Das ist aber nur ein Beispiel und bedeutet nicht, dass jedes Trennungskind auch Schulprobleme haben wird. Keineswegs. Jedes Kind ist da anders und jede Situation ist anders.

Was können denn Ursachen für Schulangst sein?

Die Anforderungen, die in der Schule an die Kinder gestellt werden, können manchem Kind Angst machen, weil er oder sie es einfach nicht gewohnt ist. Sie haben dann Panik, es nicht zu schaffen. So wie ein Kind, das jetzt schon im Halbjahr große Angst hatte, nicht versetzt zu werden. Leistungsdruck gibt es auch schon in der Grundschule. Dass man sich an der Schule an feste Regeln und Zeiten halten ,muss‘ kann auch für Kinder eine Belastung sein, wenn sie das bisher überhaupt nicht gewohnt sind.

Wie kann ich denn mein Kindergartenkind auf die Schule vorbereiten?

Mancher glaubt ja, ein Schreib- oder Rechentraining wäre besonders wichtig vor Schulantritt. Klar. Wie man einen Stift richtig hält, sollte ein Schulkind schon wissen. Aber viel wichtiger ist es, dass die Kinder schon vor Schuleintritt soziale Erfahrungen sammeln, gemeinsam mit Kindern in einer Kindergartengruppe. Ich bin ein Verfechter davon, dass Mädchen und Jungen in eine Kita gehen sollten. Zumindest kurz vor Schuleintritt. Dort erlernen sie soziale Kompetenzen und wie man Regeln in einer Gruppe einhält. Unter anderem lernen sie aber auch, wie man mal mit einem Misserfolg umgeht, denn auch das kann einem ja in der Schule durchaus passieren, dass mal etwas nicht gelingt.

Woran kann man als Vater oder Mutter denn erkennen, ob das Kind unter Schulangst leiden könnte?

Im günstigsten Fall erzählt das Kind darüber, was es bedrückt. Wenn es das nicht tut, ist man auf sein Gefühl angewiesen. Jedes Kind ist zwar anders, aber typische Symptome für Schulangst können ständige Bauchschmerzen am Morgen vor der Schule oder Übelkeit sein. Das Kind schläft vielleicht nicht oder schlecht. Auch Knabbern an den Fingernägeln, schnelles Weinen oder plötzliche Aggressivität können ein Fingerzeig sein, dass da was nicht stimmt.

Und wie erkennt es ein Schulsozialarbeiter, ob ein Kind Hilfe braucht, ob es vielleicht gemobbt oder ausgegrenzt wird?

Zum einen kommen die Kinder auf uns zu und sagen uns, was sie auf dem Herzen haben. Aber ich hospitiere auch im Unterricht oder bin auf dem Pausenhof, um zu sehen, ob es da Kinder gibt, die immer Außenseiter sind. Wir werden aber auch von Eltern angesprochen, die sich Sorgen machen. Die Kommunikation mit den Kindern, den Lehrern und den Eltern ist das Wichtigste. Immer im Interesse der Kinder, die an der Schule erfolgreich lernen sollen.

Und wenn es so einen Außenseiter gibt? Was kann da ein Schulsozialarbeiter tun, dass dieses Kind wieder mit dazugehört?

Teamspiele und Rollenspiele, bei denen die ganze Klasse einbezogen wird, können hier helfen. Wir haben da auch für die älteren Schüler „Nachdenkzettel“, auf denen die Kinder versuchen, die Frage zu beantworten, wie sie sich in der jeweiligen Situation gefühlt hätten. Da können sie Empathie entwickeln. Und manches Kind weiß ganz einfach noch nicht, wie man sich in einer bestimmten Situation angemessen verhalten könnte. Soziales Training ist eine unsere Aufgaben an der Schule.

Ist Cybermobbing schon ein Thema an Grundschulen?

Ja. Ist es leider. Spätestens in der vierten Klasse gibt es kaum noch ein Kind, das kein Handy mehr hat. Aber es ist nicht damit getan, dass Eltern die Kinder mit Technik ausstatten, sie müssen auch den Umgang damit im Auge behalten. Und im Chat äußern Kinder schnell mal etwas Verletzendes, was sie dem anderen so nicht unbedingt ins Gesicht sagen würden. Und so eine Situation kann sich aufschaukeln, wenn die anderen mitmachen. An der Grundschule Südwest läuft deshalb aktuell ein Projekt zu diesem Thema mit den zweiten und dritten Klassen. Das betreut meine Kollegin. Und im Projekt Medienbiber setzen wir uns gemeinsam mit den Kindern der vierten Klassen mit dem verantwortungsvollen Umgang mit Medien im Allgemeinen auseinander. Verhaltensregeln und was geht und was nicht, werden da auch besprochen.

Und wenn das Kind Angst vor einem Lehrer hat?

Das kann natürlich passieren. Eines der Schulkinder fürchtete sich vor dem Wechsel in die dritte Klasse, weil es dann dort auch üblich ist, dass die Kinder einen neuen Klassenlehrer bekommen. Diese Angst konnten wir abbauen, indem der Zweitklässler schon einmal vorab die Lehrer kennengelernt hat, die als künftige Klassenlehrer in Frage kommen könnten. Wichtig ist immer, miteinander zu reden und herauszufinden, warum das Kind überhaupt Angst hat vor einem bestimmten Lehrer. Das können zum Beispiel Forderungen sein, die ein Lehrer stellt, von denen das Kind glaubt, dass es sie nicht erfüllen kann. Aber natürlich müssen Kinder auch lernen, Regeln einzuhalten. Wenn man oft seine Hausaufgaben vergisst, kann es natürlich sein, dass der Lehrer auch schimpft. Generell glaube ich aber, dass die Lehrer bereit sind, auf jedes Kind einzugehen. Und wenn es mit der Kommunikation gar nicht klappt, kann man auch den Schulleiter zu Rate ziehen und wenn nötig auch einen Klassenwechsel.

Und wenn das alles nichts hilft?

So eine verfestigte Angst gibt es natürlich auch. Da ist es manchmal besser einen Therapeuten zu Rate zu ziehen. Darüber würden wir Schulsozialarbeiter dann mit den Eltern reden, wenn aus unserer Sicht professionelle Hilfe erforderlich wäre. Da können wir auch dabei helfen, Kontakte herzustellen und Wege zu ebenen.

(mz)