Asyl Asyl: Flüchtlinge in Jugendherberge

KELBRA/SITTENDORF - Hunderte Flüchtlinge im Winter in Zelten? In Sachsen-Anhalt soll das nicht nötig sein. Deshalb werden demnächst auch Jugendherbergen vorübergehend mit zur Erstaufnahme genutzt - wie die im Kelbraer Ortsteil Sittendorf. Nach Angaben des Landesfinanzministeriums gibt es in der im Jahr 2002 eröffneten Herberge insgesamt 137 Plätze, in Zwei- bis Sechs-Bett-Zimmern. Die Flüchtlinge sollen dort solange wohnen, bis weitere dauerhafte Einrichtungen für die Erstaufnahme zur Verfügung stehen. Diese werden unter anderem in Halle, Magdeburg und Halberstadt errichtet.
Kelbras Bürgermeister Lothar Bornkessel (Freie Wähler) begrüßte die Lösung. Er habe zwar von der Nachricht, dass die Herberge in Frage kommt, zuerst aus den Medien erfahren. Die Stadt Kelbra, die Eigentümer des Gebäudes ist, sei dem Vorhaben aber positiv gegenüber eingestellt. Er selbst sowieso. Bornkessel ist nebenbei auch Integrationsbeauftragter des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt. Der Bürgermeister will sich dafür einsetzen, dass Flüchtlinge in die einzelnen Vereine der Stadt integriert werden. „Was wir als Stadt machen können, werden wir tun“, sagte er. Sein Ziel sei es, den Menschen den Aufenthalt in Kelbra nach der nervenaufreibenden Flucht so angenehm wie möglich zu machen. So sehen es offenbar auch viele Einwohner des Kyffhäuserstädtchens, mit denen die MZ gestern sprach. „Den Bürgerkriegsflüchtlingen muss geholfen werden“, sagte zum Beispiel Rudi Senger. Er glaube, dass sich alles finden werde, so der 61-jährige Bergbaurentner. Elke Maune (71) meinte, die Hilfe sei dringend notwendig. Die Bilder der vielen notleidenden Menschen seien kaum noch zu ertragen. Und: Da die Jugendherberge den Winter über wahrscheinlich ohnehin weniger belegt sei, „ist das doch eine gute Lösung“.
Zahlreiche Bürger wollen Flüchtlingen helfen. Beim Amt für Asyl und Integration des Landkreises melden sich fast täglich Bürger, die die Flüchtlinge mit Spenden unterstützen wollen, sagt Kreissprecherin Michaela Heilek. Um die Anfragen bewältigen zu können, hat der Landkreis deshalb eine Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Mansfelder Land geschlossen. Der ASB übernehme die Spendenannahme und dann auch die Verteilung.
Am dringendsten benötigt würden Einrichtungsgegenstände wie Betten, Stühle und Tische, um die Unterkünfte einrichten zu können, sowie Kleidung und auch Spielzeug für Kinder. Wer spenden und damit den Flüchtlingen helfen möchte, sollte sich an den Samariterbund wenden. Ansprechpartnerin bei der Hilfsorganisation ist Karina Sommerfeld, Telefon: 03476/55 10 48. E-Mail: [email protected]
Andere äußerten Bedenken aufgrund des Standorts der Herberge. Sie liegt etwa 1,5 Kilometer vom Sittendorfer Ortskern entfernt direkt am Kyffhäuserwald, die Busverbindung dorthin sei schlecht. „Was sollen die Flüchtlinge dort den ganzen Tag machen?“, fragten sie. Auch der CDU-Landtagsabgeordnete André Schröder warnte: „Dauerhaft bietet die Jugendherberge am Waldrand wenige Betätigungsfelder für Flüchtlinge.“
Außerdem gibt es Angst vor Anschlägen auf die Einrichtung. Sie müsse gut geschützt werden, forderten Kelbraer. In den vergangenen Wochen waren immer wieder Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland von Unbekannten in Brand gesteckt worden.
Das Polizeirevier ist in Sachen Schutz der Einrichtung aber offenbar nicht untätig. Gestern waren an der Jugendherberge bereits mehrere Beamte vor Ort, um sich das Gebäude anzusehen. Nach Angaben von Polizeisprecher Heiko Prull sind in Sittendorf außerdem Polizeistreifen geplant. Ebenso sei der Einsatz eines Wachschutzes im Gespräch. (mz)