Ärger vor dem Fest Ärger vor dem Fest: Blankenheimer sollen rückwirkend für Straßen zahlen

Blankenheim - Weihnachtsfrieden? Nicht in Blankenheim. Rund 100 Betroffene sollen jetzt rückwirkend Beiträge für Straßenbaumaßnahmen aus den 1990er Jahren zahlen. Die ersten Bescheide sind Mittwoch zugestellt worden, das Geld ist innerhalb eines Monats zu zahlen. Betroffen sind Familien im Tunnelweg, Kreisfelder Weg, in der Straße am Kreuzstein, der Roten Gasse, Oberen Wassergasse und im Ortsteil Klosterrode. Gesamtsumme: 167.000 Euro.
Beitragsbescheide mussten noch dieses Jahr versendet werden
Die Wogen schlagen hoch. „Die Stimmung im Dorf ist aufgeheizt“, sagt Rita Schrader, die selbst nicht betroffen ist. „Jedes Gespräch dreht sich darum.“ Denn Ende November legte die Verwaltung der Verbandsgemeinde Mansfelder Grund - Helbra urplötzlich Beschlüsse vor, denen der Gemeinderat zustimmen sollte: um rückwirkend Beiträge für die Straßenentwässerung zu erheben. Die Gemeinde sei gesetzlich verpflichtet. Doch die Ratsmitglieder fühlten sich überfahren, vertagten das Thema und lehnten die Beschlüsse in drei kurzfristig folgenden Sitzungen ab. Nur Bürgermeister André Strobach (FDP) stimmte zu.
Daraufhin schaltete sich die Kreisverwaltung ein und ordnete am 16. Dezember eine „sofortige Vollziehung“ an. Im Klartext: Die Beitragsbescheide seien umgehend an die Bürger zu versenden. Das sei nur noch bis Jahresende rechtlich zulässig.
Blankenheimer sollen zahlen, obwohl die Baumaßnahme 20 Jahre zurück liegt
Doch kaum jemand kann das in Blankenheim nachvollziehen, die Baumaßnahmen liegen 20 Jahre zurück. „Ich wohne seit 1993 im Kreisfelder Weg“, sagt Frank Kautz. „Damals war die Straße gerade fertig.“ Er hat am Mittwoch seinen Bescheid von der Verbandsgemeinde zugestellt bekommen und soll 630 Euro zahlen. „Nach 23 Jahren! Und das zur Weihnachtszeit“, schimpft Kautz und schüttelt ungläubig den Kopf. Andere Anlieger dürfte es wohl schlimmer treffen. Viele Blankenheimer rechnen mit Beträgen zwischen 1.500 und 7.000 Euro.
Brisant ist jedoch, dass seit Ende 2014 für derartige Beiträge in Sachsen-Anhalt eine Verjährungsfrist von zehn Jahren gilt. Eine Ausnahme sollte laut Gesetz noch bis Ende 2015 möglich sein, obwohl selbst das juristisch umstritten und noch gerichtlich zu klären ist.
Streit um Baukosten der Straßenentwässerung schwelt seit langem
Allerdings schwelt der Streit um die Baukosten der Blankenheimer Straßenentwässerung schon seit langem. Das lässt sich anhand umfangreicher Unterlagen des Abwasserzweckverbands (AZV) Südharz aus dem Jahr 2007 belegen. Erst Ende 2012 hatten sich, begleitet durch die Kommunalaufsicht, der Gemeinderat und der AZV einigen können. Verband und Gemeinde schlossen einen Vertrag, auf den sich nunmehr die Verwaltung der Verbandsgemeinde beruft, um die Beiträge einzufordern. Im Vertragstext steht: „Die Kommunalaufsicht hat den Hinweis erteilt, dass in Bezug auf die Kosten der Straßenentwässerung die Veranlagung der Grundstückseigentümer zu Straßenausbaubeiträgen noch möglich sein dürfte.“ Doch damals galt noch keine Verjährungsfrist für solche Beiträge.
Aber schon wenige Wochen später urteilte das Bundesverfassungsgericht , dass solche Beiträge nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag rückwirkend erhoben werden dürften. Die Bürger müssten nach einer gewissen Zeit Rechtssicherheit vor derartigen Forderungen haben. Das spiegelt sich mittlerweile in der gesetzlichen Zehn-Jahresfrist in Sachsen-Anhalt wider.
Offensichtlich war sich aber auch die Verwaltung der Verbandsgemeinde unsicher, ob diese Beiträge in Blankenheim noch erhoben werden könnten. Sie schaltete nach der ersten Ratssitzung und Vertagung des Beschlusses eine Kanzlei aus Hannover ein. Der Anwalt kam zu der Auffassung, „dass eine Beitragsveranlagung noch bis zum Ablauf der regulären Festsetzungsfrist am 31.12.2016 rechtlich zulässig ist.“ Ob ihm zum Prüfen des Sachverhalts außer besagtem Vertrag weitere Unterlagen aus dem Jahr 2007 und die damalige detaillierte Auflistung sämtlicher Baukosten vorlagen, dazu gab er auf Anfrage der MZ keine Auskunft.
Möglich, dass die Kommunalaufsicht selbst Zweifel an Rechtmäßigkeit hegt
Durchaus möglich ist es, dass die Kommunalaufsicht selbst Zweifel an der Rechtmäßigkeit hegt.
Die Kommunalaufsicht des Landkreises Mansfeld-Südharz begründet ihr Einschreiten in den Streit um die Straßenentwässerungsanteile unter anderem damit, dass erst im Jahr 2008 im Zuge der Liquidation der Wasserwerke Südharz die für die Herstellung der Straßenentwässerung entstandenen Kosten aufgearbeitet und der Gemeinde Blankenheim in Rechnung gestellt worden seien. Gegenseitige Ansprüche zwischen dem damaligen Abwasserzweckverband Südharz und der Gemeinde wurden erst 2012 vertraglich geregelt. Somit sei für die Gemeinde der umlagefähige Aufwand der Straßenausbaumaßnahmen erst durch diesen Vertrag „endgültig feststellbar“ gewesen. Damit dürfte die „Vorteilslage“ für die Anlieger erst 2012 entstanden sein, eine Beitragsveranlagung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist am Jahresende 2016 zulässig.
Denn sie zitiert in ihrem aktuellen Schreiben fast komplett das Schreiben des Anwalts an die Verbandsgemeinde. Nur an einer Stelle formuliert sie etwas vorsichtiger, dass die Vorteilslage durch den Bau der Straßenentwässerung im Sinne des Kommunalabgabengesetzes erst 2012 entstanden sein „dürfte“.
In Blankenheim ist die Stimmung aufgeheizt. Heike und Volker Metzke, die selbst nicht betroffen sind, haben bereits eine Beschwerde gegen die Kommunalaufsicht beim Landesverwaltungsamt eingereicht: „Die Rechtmäßigkeit des Verfahrens stellen wir in Frage.“ Eine eingehende und vollständige Prüfung sei nötig, zumal alles sehr verworren sei und für Unmut und Politikverdrossenheit sorge. Metzkes haben dies gleichlautend an Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) geschrieben - Weihnachtsfrieden hin oder her. (mz)