«Andere Städte sind weiter»
Sangerhausen/MZ. - Nach wie vor gibt es zahlreiche offenen Fragen zu den Garagen, die in Sangerhausen auf städtischem Grund und Boden stehen.
Unserer Redakteur Jürgen Böhme sprach dazu mit Roland Schrötter, Vorsitzender des Vereins Haus und Grund in Sangerhausen.
Wegen den Garagen auf fremdem Grund und Boden scheint sich gegenwärtig die Atmosphäre unter den Betroffenen in der Stadt wieder stark aufzuheizen? Was sind die Gründe dafür?
Roland Schrötter: Seitdem die Garageneigentümer wissen, dass auf der 23. Ratssitzung am 15. Dezember 2005 der längst überfällige Beschluss zu den offenen Garagenproblemen nicht gefasst, sondern nur als erste Lesung behandelt wurde, sind sie nicht nur enttäuscht, auch sehr verärgert. Welche Fraktion auch immer die Beschlussfassung verhinderte, sie hat der Stadt und ihren Bürgern keinen guten Dienst erwiesen.
Was wird nun aus den Garagen, die zu DDR-Zeiten auf fremdem Grund und Boden errichtet worden sind?
Schrötter: Eines ist uns klar: Ab 1. Januar 2007 können die Grundstückseigentümer die Nutzungsverträge kündigen, ohne dass sie für die Garagen noch eine Entschädigung zum Zeitwert zahlen müssen.
Gehen damit die Garagen ihren Erbauern und bisherigen Eigentümern automatisch verloren?
Schrötter: So interpretieren es einige Grundstückseigentümer. Dem ist nicht so. Es bestehen Verträge. Der Eigentumsübergang erfolgt erst - darauf will ich hinweisen - mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses entweder durch den Nutzer oder den Bodeneigentümer. So ist es in Paragraph 11, Absatz. 1 des Schuldrechtsanpassungsgesetz bestimmt. Ich zitiere es: Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses geht das nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik begründete, fortbestehende Eigentum an Baulichkeiten auf den Grundstückseigentümer über. Und das Bundesjustizministerium erklärt in einer Mitteilung, ich zitiere aus ihr: Nach Beendigung der Garagennutzungsverträge geht das Eigentum an Garagen auf den Grundrechtseigentümer über.
Was sollten die betroffenen Garageneigentümer jetzt tun? Welche Möglichkeiten sehen Sie?
Schrötter: Jeder Betroffene sollte sich jetzt selbst befragen: Will ich die Garage bis zum 31. Dezember 2006 aufgeben oder bin ich in der Lage, sie auch weiter zu vertretbaren und bezahlbaren Bedingungen zu nutzen? Hat der Garageneigentümer zum Beispiel wegen hohen Alters oder Krankheit kein weiteres Interesse an der Garage oder der Garagenstandort keine Perspektive, könnte er das Nutzungsverhältnis rechtzeitig, unter Beachtung der vertraglichen Kündigungsfrist zum 31. Dezember 2006 kündigen. In diesem Falle kann er maximal bis zur Hälfte an den Abrisskosten beteiligt werden, und das nur dann, wenn die Garage auch innerhalb eines Jahres abgerissen wird. Zudem stünde ihm eine Entschädigung für die Werterhöhung am Grundstück zu, wenn sie von ihm nachgewiesen werden kann. Kündigt er nach dem 31. Dezember 2006, muss er dagegen die vollen Abrisskosten begleichen und zudem entfällt die Entschädigung für die Werterhöhung am Grundstück. Wer wie ich die Garage weiter nutzen möchte, ist natürlich an einer langfristigen Fortschreibung der Nutzungsverträge mit einer Investitionsschutzfrist von mindestens zehn Jahren, besser wären 15 Jahre, interessiert. Die von uns künftig aufzubringenden Investitionen müssen sich letztlich auch rechnen.
Welche Lösungsmöglichkeiten böten sich noch nach Ihrer Meinung für die Vertragsparteien?
Schrötter: Neben der Verlängerung der Nutzungsverträge könnten für einzelne intakte Garagenkomplexe oder Einzelgaragen auch Kaufverträge zum Erwerb der jeweiligen Garagengesamtfläche oder Erbbaurechtsverträge mit einer Vertragslaufzeit nicht kürzer als 30 Jahre abgeschlossen werden. Für beide Varianten gibt es Interessenten.
Wie soll's weitergehen?
Schrötter: Wichtig wäre erst einmal, dass die Stadt ihre Lösungsvorschläge den Betroffenen baldmöglichst unterbreitet und nicht etwa auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt und damit fristgebundene Entscheidungen der Noch-Garagenbesitzer zu verhindern. Andere Städte sind da viel weiter, sie haben das Problem überwiegend bürgerfreundlich gelöst. Die Sangerhäuser Stadträte und Fraktionen haben es also in der Hand, welche Atmosphäre künftig in unserer Stadt herrschen wird. Den Garagenbesitzern ist anzuraten, durch gemeinsames Handeln den Dingen für eine bürgerfreundliche Lösung den nötigen Nachdruck zu verleihen. Hilfe und Unterstützung bietet der Verein Haus & Grund Sangerhausen.
Der Verein Haus und Grund Sangerhausen ist für Mitglieder und Interessenten telefonisch unter (03464) 57 29 51 zu erreichen.