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Abzocke mit gefälschten Rechnungen Abzocke mit gefälschten Rechnungen: Der Trick mit der Sex-Hotline

Von Frank Schedwill 27.08.2016, 05:00

Allstedt/Sangerhausen - Es ist ein pikanter Vorwurf: Am 10. Januar dieses Jahres soll Gunter W. (Name geändert) mit seinem Handy gleich zweimal bei teuren Sex-Hotlines angerufen haben. So steht es zumindest auf der Rechnung, die dem 79-Jährigen aus Allstedt ins Haus flatterte.

Um 13.48 Uhr und 13.58 Uhr des besagten Tages habe er mit seinem Prepaid-Handy die Hotline-Nummer gewählt und Erotik-Dienstleistungen in Anspruch genommen. Gunter W. bestreitet das.

Er nutze sein Smartphone nur, um im Notfall angerufen werden zu können und könne das Gerät kaum bedienen. Außerdem, so haben er und seine Frau recherchiert, hätten sie an besagtem Nachmittag im Januar das Haus voller Besuch gehabt - da werde er kaum eine Sexnummer wählen.

Belief sich die Forderung am Anfang auf 90 Euro, will das in Prag ansässige Unternehmen nach mehreren Mahnungen und unter Einschaltung zweier Inkassobüros aus Tschechien und Luxemburg mittlerweile 472,22 Euro haben.

In Sachsen-Anhalt in diesem Jahr weit über 100 derartige Fälle

In Sachsen-Anhalt gibt es nach Angaben der Verbraucherzentrale allein in diesem Jahr weit über 100 derartige Fälle. „Die Dunkelziffer ist vermutlich weitaus höher“, sagt Ute Bernhardt, Juristin bei der Verbraucherorganisation. Allein aus dem Raum Mansfeld-Südharz läge den Verbraucherschützern eine Vielzahl vor, sagt die Juristin. Genaue Zahlen könne sie nicht nennen, da immer wieder andere angebliche Inkassobüros auftreten.

Laut Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt handelt es sich dabei um eine seit langem bekannte Variante des weit verbreiteten Inkasso-Betruges. „Genaue Zahlen zu Betrugsfällen mit Sex-Hotlines liegen uns aber nicht vor,“ sagt LKA-Sprecher Jens Waldmann. Man gehe davon aus, dass es im vergangenen Jahr eine „höhere zweistellige Anzahl von Fällen“ gegeben habe.

Für 2016 sei eine steigende Tendenz auszumachen. Grundsätzlich würden diese Betrügereien aber in den Polizeidirektionen bearbeitet. Steffi Schwan, die Sprecherin des Polizeireviers in Eisleben, betont, allein in Mansfeld-Südharz gebe es wegen derartiger Delikte Anzeigen im zweistelligen Bereich.

Auffällig sei, dass insbesondere ältere Leute betroffen sind. Viele würden offenbar aus Scham die geforderten Summen zahlen, selbst wenn sie die Sex-Hotline gar nicht in Anspruch genommen haben.

Die Kripo vermutet, dass sich die Unbekannten wahllos Telefonnummern heraussuchen und dann versuchten, mit geschickten Anrufen die zugehörigen Anschriften herauszubekommen. Klappe das nur ein paar Mal am Tag und bezahlen die Betroffenen die geforderten happigen Summen, sei das ein lukratives Geschäft.

Auch bei Gunter W. klingelte wenige Wochen vor der ersten Rechnung sein eigentlich nie benutztes Prepaid-Handy. Eine Mitarbeiterin eines angeblichen Briefzentrums berichtete im Telefonat, dass eine Sendung nicht zustellbar sei und deswegen die Anschrift abgeglichen werden müsse.

Obwohl W.s Frau, die das Telefonat damals annahm, sagt, sie habe keine Daten herausgegeben oder etwas bestätigt, kamen die Unbekannten so möglicherweise an die Adresse des Allstedters. Laut Verbraucherzentrale wird die Postmasche von den Gaunern immer wieder eingesetzt, um an Adressen zu kommen.

Das rät die Polizei den Betroffenen:

Die Polizei rät deshalb, keinesfalls Anschriften oder andere Daten am Telefon herauszugeben. Wenn man die Dienste nicht genutzt hat, sollte man den Geldforderungen keinesfalls nachkommen. Wichtig sei, sich unbedingt Hilfe zu holen. Im Internet gebe es auf der Seite der Verbraucherzentrale auch Musterschreiben, mit denen man solchen Forderungen widersprechen könne.

Und eigentlich sei es Sache des Anbieters, zu beweisen, dass man seine Dienstleistungen in Anspruch genommen und somit einen Vertrag abgeschlossen hat.

Im Fall von Gunter W. schickte das Unternehmen zwei geschwärzte Seiten. Darauf sind nur die angebliche Anrufzeit und W.s Rufnummer zu sehen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale beweist das gar nichts.

Der Allstedter hat nun trotzdem versucht, den Gegenbeweis anzutreten und wollte mit Hilfe seiner Telefongesellschaft belegen, dass er bei der Hotline nicht angerufen hat. Allerdings hatte diese zu dem Zeitpunkt die Verbindungsdaten bereits gelöscht. Anbieter von Prepaid-Handys sind laut Verbraucherzentrale auch nicht verpflichtet, die Daten zu speichern.

Allerdings ist laut Polizei bisher bundesweit kein Fall bekannt, in dem es die Unbekannten am Ende auf ein Gerichtsverfahren haben ankommen haben lassen, um die geforderten Summen einzutreiben. „Es lohnt sich also, hartnäckig zu bleiben und den Forderungen nicht nachzugeben“, sagt Schwan. Auch, wenn die Briefe nervig seien.

Außerdem, so sagt die Sprecherin, sollte man unbedingt Anzeige erstatten. In Gunter W.s Fall läuft ein Verfahren gegen Unbekannt wegen versuchten Betrugs. (mz)

Eine der Rechnungen, die dem Allstedter in den vergangenen Monaten ins Haus flattertet.
Eine der Rechnungen, die dem Allstedter in den vergangenen Monaten ins Haus flattertet.
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