Abschied aus Wirtschaft Abschied aus Wirtschaft: Campus statt Altenteil für Feag-Geschäftsführer

sangerhausen/MZ - Nein, Bernd Hiller ist nicht der Typ, der mit ein paar persönlichen Dingen unter dem Arm aus dem Büro marschiert und sich aufs Altenteil zurückzieht. „Ich habe mich auch nicht darauf vorbereitet, und ich will eigentlich auch gar nicht“, sagt der Geschäftsführer des Fertigungscenters für elektrische Anlagen Sangerhausen (Feag). Und dennoch wird er jetzt das Büro in der zweiten Etage am Firmensitz im Stiftsweg in Sangerhausen einmal in der Woche gegen einen Hörsaal eintauschen. Denn an der Martin-Luther-Universität in Halle will der Senior Physik studieren.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) wird heute das Mittelspannungskompetenzcenter der Feag Sangerhausen GmbH einweihen. Mit seinen Produkten bedient das 1996 gegründete Unternehmen alle Bereiche der Energieerzeugung und -verteilung. Die Investition ist mit 1,81 Millionen Euro aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) gefördert worden. (Quelle: Wirtschaftsministerium)
Ob Hiller will oder nicht - am Freitag ist Schluss. Der 65-Jährige wird offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Mit Heiko Koschmieder ist ein Nachfolger gefunden. Der weiß, dass es schwer wird, in die großen Fußstapfen seines Mentors zu treten.
Denn Hiller lässt mit der Feag sein Lebenswerk zurück. Das Unternehmen gebe es ohne ihn wohl kaum in dieser Form. „Ich war immer geradlinig, konsequent und fordernd und einigermaßen gerecht“, sagt Hiller über sich. Der scheidende Chef des mittelständischen Unternehmens mit rund 200 Mitarbeitern gilt auch als Visionär. Für Brigitte Franke, Wirtschaftsförderin der Stadt Sangerhausen, war Hiller immer ein guter Partner. „Er ist als Geschäftsführer sehr gut durchstrukturiert und zielorientiert. Das sind Eigenschaften, die jemanden durchaus auch arrogant erscheinen lassen. Aber seine Leute hat er immer selbst ausgebildet und auch immer gut bezahlt“, lobt Franke den Geschäftsführer.
Große Verdienste
Auch Sangerhausens Oberbürgermeister Ralf Poschmann (CDU) würdigt ihn. „Bernd Hiller ist nicht immer ein bequemer Gesprächspartner, er vertritt konsequent seine Meinung, aber die Geschichte seiner Firma gibt ihm Recht“, so das Stadtoberhaupt. Betriebsratschef Dirk Stingl reagiert indes zurückhaltend. „Die großen Verdienste von Herrn Hiller um die Feag sind unbestritten“, würdigt Stingl kurz das Engagement.
Zunächst stand die Firmengeschichte unter keinem guten Stern. Der Siemens-Konzern hatte zur Wendezeit den Volkseigenen Betrieb (VEB) Starkstromanlagenbau Sangerhausen übernommen. Zu dieser Zeit war der gelernte Elektromonteur bereits im Unternehmen.
Doch 1997 drohte schließlich die Pleite. Zusammen mit Partnern brachte Hiller seinerzeit die Feag auf den Weg. Mit 27 Beschäftigten startete die Firma. „Die ersten sieben Jahre habe ich kaum Zeit für die Familie gefunden“, blickt der Vater von drei Kindern zurück. „Selbst am Wochenende wurde die neue Woche akribisch vorbereitet.“
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Elektroanlagenbauer aus der Berg- und Rosenstadt agiert mittlerweile weltweit und hat in den zurückliegenden 16 Jahren ein stetes Wachstum hingelegt. Rund 16 Millionen Euro wurden in sieben Werkhallen im „Helmepark“ der Kreisstadt investiert. „Krise, was ist das“, hatte Hiller vor dem Hintergrund steigender Umsätze der Feag und drohender Rezession nach den Kapriolen der weltweiten Finanzmärkte vor einigen Jahren provokant gefragt.
Doch auch wenn Hiller den Schreibtisch räumt und immer mittwochs als Senior studiert, ist die Firmgeschichte für ihn noch nicht Geschichte. So will er für die Feag im Vertrieb arbeiten und die Kontakte zu Geschäftspartnern nach Osteuropa aufrecht erhalten. Aber auch die Freizeit soll jetzt für den passionierten Globetrotter nicht zu kurz kommen. Neben Reisen rund um den Erdball und dem Faible für schnelle Autos und legendäre Motorräder „steht die Familie an erster Stelle“, sagt Hiller und blickt dabei aus dem Bürofenster auf die benachbarte Werkhalle der Inotec. Der Elektroanlagenbauer gehört seinem Sohn. „Dort werde ich als Prokurist noch ein bisschen aushelfen“, so der Senior. Die Planungen für einen neuen Bürotrakt laufen schon.