30. August 30. August: Stolberg verliert sein Stadtrecht
STOLBERG/MZ. - In einer kurzfristig anberaumten Sitzung sind Beschlüsse über drei verschiedene Verfassungsbeschwerden vorgesehen, außerdem über die Klage eines Stolberger Stadtrates vor dem Bundesverfassungsgericht. Mit dem Ablauf des Dienstags verliert die "Perle des Südharzes" ihre Eigenständigkeit und zugleich den Status als Stadt. Ab Mittwoch gehört sie als Ortsteil zur Einheitsgemeinde Südharz. So sieht es das Zuordnungsgesetz vor, das der Landtag Sachsen-Anhalts im Juni beschlossen hat. Aus dem Altkreis Sangerhausen betrifft dieses Gesetz auch Wickerode und Winkel.
"Stolberg ist die einzige Stadt, die durch Gesetz in eine Gemeinde ohne die Bezeichnung ,Stadt' eingemeindet wird", bestätigt Sprecher Martin Krems vom Magdeburger Innenministerium. Denn Stolberg habe in der freiwilligen Phase nicht an der Bildung der Gemeinde Südharz mitgewirkt, ansonsten seien aber eben nur Gemeinden ohne Stadt-Status beteiligt gewesen. In allen anderen Fällen im Land, bei denen Städte an der Bildung größerer Gemeinden beteiligt waren, werde die Bezeichnung "Stadt" fortgeführt.
Für Reinhold Siebold, seit 30 Jahren als Stadtführer in Stolberg tätig, ist die Sache ein Unding. "Das ist ein Trauertag. Wie soll ich das denn den Gästen vermitteln? Dass ich zwar in meiner Tracht als Stadtschreiber unterwegs bin und ein mittelalterliches Stadtbild erkläre, aber sozusagen gar keine Stadt mehr existiert? Das Datum ist leider nicht bekannt, aber die Siedlung hat schon im 13. Jahrhundert das Stadtrecht bekommen."
Es sei eine "schwierige Sache mit der Eingemeindung und tragisch für die Außenwirkung als Tourismusort", fasst Pfarrer Jörg Thoms zusammen. Er stellt sich's ein "bisschen chaotisch" vor, wenn es um die praktischen Dinge des Lebens geht, etwa wenn Firmenvertreter nach Stolberg fahren wollten. Allerdings gebe es zwischen den Kirchengemeinden seines Bereiches schon längst Kontakte, er sei als Pfarrer auch in Rottleberode, Uftrungen, Stempeda und Rodishain, also sogar in zwei Ländern tätig.
"Es ist schade und stimmt traurig", weiß Volker Pietsch angesichts der bevorstehenden Veränderungen für Stolberg. Schließlich stammt er selbst aus der Harzstadt, kennt sie aber auch aus seiner Sicht als langjähriger Landrat. "Die Entwicklung geht nach vorn. Man kann eine solche Veränderung auch als Chance sehen." Stolberg solle gemeinsam mit seinen neuen Partnern daran gehen, die Infrastruktur aufrecht zu erhalten und weiter zu entwickeln; das Gesetz zur Gebietsreform und Zuordnung sei "wohl bewusst gemacht worden".
Für Carola Schmidt, die Geschäftsführerin des Harzer Tourismusverbandes, spielt es eine untergeordnete Rolle, "wo der Bürgermeister sitzt". Denn verwaltungstechnisch ergebe die Gebietsreform einen gewissen Sinn. "Die Frage ist nun, wie die neue Gemeinde mit ihrem touristischen Potential umgeht und mit diesem Pfund wuchert."
Stolberg sei ein altbewährter Name und eine touristische Hochburg im Südharz. "An dieser Marke ist über viele Jahre lang ganz intensiv gearbeitet worden." Ein solche Marke dürfe man nicht aufgeben oder gefährden, damit müsse man auch "ganz sensibel" umgehen. Denn mit dem künstlichen Gebilde Südharz könnten Urlauber von außerhalb einfach nichts anfangen. "Die Leute schlagen die Karte auf und rufen an. Die wollen nicht erst ewig suchen müssen."
Um den Namen Südharz ging es übrigens auch in der Sitzung des Südharz-Gemeinderates am vorigen Mittwoch. Da meldete sich nämlich Alfred Wüstemann aus Rottleberode in der Bürgerfragestunde zu Wort und appellierte an die Ratsmitglieder, den Namen Stolberg noch mal zu überdenken. Zugleich lud er sie ein, das Stolberger Schloss zu besichtigen. Landrat Dirk Schatz (CDU), der an der Sitzung als Gast teilnahm, unterstützte die Namensdebatte: "Der neue Name hilft Ihnen gar nichts. Finden Sie eine Variante, mit der man auch was anfangen kann!"