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Körperkult in Querfurt Körperkult in Querfurt: Tattoos als Geschichten unter der Haut

Von Mathilde Kowalski 21.07.2016, 08:30
Matthias Seibiger wurde wegen seiner Tattoos vom Arbeitgeber abgelehnt.
Matthias Seibiger wurde wegen seiner Tattoos vom Arbeitgeber abgelehnt. Vincent Grätsch

Querfurt - Erinnerungen, Menschen und Geschichten für die Ewigkeit unter die Haut gestochen. In Deutschland sind laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum rund sechs Millionen Menschen tätowiert. Auch im Stadtbad in Querfurt kann man im Sommer wieder einige Tattoos bestaunen.

„Es war das Geburtstagsgeschenk meiner Tochter vor 15 Jahren“, berichtet Karola Zwirner (59). Sie sitzt am Rand des Schwimmbeckens, auf ihrem Oberarm das Bild eines Krebses – ihr Tierkreiszeichen. Ihre Enkelin hört neugierig zu, als Zwirner weiter erzählt: „Ich hätte gerne mehr Tätowierungen, aber mein Mann ist dagegen“ sagt sie und lacht.

Initialen der Freundin

Matthias Franke (37) war bei seinem ersten Besuch im Tattoo-Studio wesentlich jünger: Seine erste Tätowierung ließ er sich stechen als er 17 Jahre alt war. Die Initialen seiner damaligen Freundin wollte er für immer unter seiner Haut haben. Sieben Jahre später war die Freundin weg, aber ihre Initialen noch auf Frankes Wade. Ein Cover-Up musste her. Bei dem Verfahren werden alte Tattoos mit neuen Motiven überdeckt. Das ist meist günstiger als das Tattoo mit Laserbehandlung entfernen zu lassen.

So wurde aus den Buchstaben, die Franke an seine Beziehung erinnerten, ein ineinander geschlungenes Tribal. Seit neun Jahren strahlt das freudige Gesicht von Sohn Devon (heute 10) auf Frankes Oberarm. Darunter soll bald das Gesicht vom kleinen Bruder Mailo (2) folgen. Dafür komme nur sein Lieblingstätowierer in Frage. Dieser tätowiert alle Motive ohne Schablonen frei Hand. Eben jener hat auch den Reißverschluss auf Frankes Unterarm gemalt.

Gegenseitig überbieten

Was der bedeutet? „Er soll ein Symbol dafür sein, dass wir Menschen trotz allem wie Maschinen funktionieren müssen“, erklärt der zweifache Familienvater. Wenn Devon oder Mailo sich auch irgendwann einmal tätowieren lassen wollen, haben sie gute Karten: Ihre Eltern versuchen sich seit mehreren Jahren mit ihren Tattoos gegenseitig zu überbieten.

Zurzeit liegt Frankes Ehefrau mit neun Tattoos weit vorne. Bianka (30) und Jens Schmidt (34) verbindet nicht nur ihre Kinder, sondern auch ein Tattoo. Beide haben sich auf der Innenseite ihres Handgelenks das Zeichen für Unendlichkeit sowie die Initialen des anderen verewigen lassen. Jens Schmidt trägt ein großes Tribal auf dem Rücken.

Erinnerungen an den Schmerz

Er erinnert sich noch gut an seinen ersten Termin beim Tätowierer, aber noch lebendiger sind die Erinnerungen an den Schmerz: „Da hilft nur Zähne zusammen beißen und durch.“ Trotz Schmerzen zieren vier weitere Tattoos, darunter die Namen ihrer Kinder, den Körper seiner Frau. „Die meisten habe ich mir spontan stechen lassen“ erzählt sie. Ihr erstes Lehrlingsgeld landete beim Tätowierer – ein Hirschgeweih am unteren Rücken sollte es sein. Ein wenig bereue sie die Entscheidung schon, die sie als 16-Jähre getroffen hatte. In ihrem Beruf als Friseurin habe Bianka Schmidt nie Schwierigkeiten wegen den Tattoos gehabt.

Matthias Seibiger (45) musste eine andere Erfahrung machen, als er sich als Wachdienst bei der Erstaufnahme eines Flüchtlingsheims bewarb. Er passe äußerlich nicht ins Bild und würde Angst auslösen. Das Aussehen des 45-Jährigen kann auf den ersten Blick Respekt einflößend sein, aber wenn er von seinen Tattoos erzählt, wirkt er mehr als freundlich. Seine Lieblingsmotive: Die Namen seiner Kinder und Aliens. Manch einer wie Uwe Hoffmann (58) erinnert sich nach 30 Jahren nicht mehr ganz an die Bedeutung seines Tattoos. Bereut habe er die Entscheidung aber nie. (mz)

Jens Schmidts Tattoo soll an Zeichen von Aliens in Kornfeldern erinnern.
Jens Schmidts Tattoo soll an Zeichen von Aliens in Kornfeldern erinnern.
Vincent Grätsch
Matthias Franke mit Sohn Mailo: Sein Gesicht soll unter das seines Bruders.
Matthias Franke mit Sohn Mailo: Sein Gesicht soll unter das seines Bruders.
Vincent Grätsch