Zwillinge fegten Rathaustreppe gemeinsam
Harzgerode/MZ/bik. - Diese Ehre mussten sie sich zuvor allerdings mit schweißtreibender Arbeit verdienen: Gemäß einer alten Tradition müssen zum 30. Geburtstag noch ledige Männer die Rathaustreppe fegen. Dass bis zu diesem Termin am Sonnabend keiner der Jentsch-Zwillinge vor den Traualtar getreten war und sich damit dieser Pflicht entziehen konnte, hatte allerdings verschiedene Gründe.
Mit Unterstützung der Feuerwehr, in der die beiden Jubilare bereits seit über zwanzig Jahren aktiv sind, hatte ihr bester Freund Mihailko Fricke einige zusätzliche Tücken in die "Strafe" eingebaut. Zunächst mussten sich beide unter dem Jubel der vielen Zuschauer auf dem Brunnen des Marktplatzes in viel zu enge alte Feuerwehranzüge aus DDR-Zeiten zwängen und bekamen schmucke Helme auf. Danach erhielten sie konkrete Anweisungen und kleine Bürsten, um damit auf den Knien rutschend die mit feinem Sägemehl versehene Rathaustreppe vom Schmutz zu befreien. Natürlich fehlten auch eher nervende Sprüche wie ,Das haben wir schon schneller gesehen', ,Braucht ihr Normzeiten' oder ,Richtig sauber ist das nicht' von Verwandten oder Bekannten nicht. Während sich Marcel scheinbar ohne großen Aufhebens gewissenhaft um die Erfüllung seiner Aufgabe bemühte, versuchte Patrick sich vielmehr davor zu drücken und immer wieder Ersatz zu besorgen. Doch selbst sein Patenkind Jasmin ließ sich trotz intensiver Überredungskünste nicht auf Unterstützung ein: "Das musst du schon alleine machen."
Nach ausgiebiger Quälerei mit den Minibürsten hatte Fricke ein Einsehen und gab für die "Endreinigung" deutlich größere Besen und Schaufeln frei. "Dann wird auch der Bürgermeister zufrieden sein", spöttelten Beobachter. Nicht nur der Einsatz, auch die Kommentare nach der Aktion fielen unterschiedlich aus. Während es Patrick "großen Spaß" gemacht hatte, mochte Marcel "so etwas nicht unbedingt wiederholen." Aber trotz der an diesem Abend unterschiedlichen Arbeitsweisen und Bemerkungen der Feuerwehrkameraden ,Bekommen wir Euch denn nie groß', machte Zwillingsvater Hans-Jürgen Jentsch keinen Unterschied: "Auch nach dreißig Jahren bin ich auf beide Jungs stolz."
Eine gewisse Schadenfreude schien allerdings Nancy Dresler zu spüren, die Freundin von Marcel. Vor acht Wochen erblickte das gemeinsame Töchterchen Leonie das Licht der Welt. Vielleicht hatte sie vorher auf eine Hochzeit gehofft? "Für eine Scheidung fehlt mir das nötige Kleingeld", lehnte Marcel eher scherzhaft konkrete Aussagen zu einem Trautermin ab. Patrick als eher eingefleischter Junggeselle hatte diese Sorgen dagegen nicht.
Nach der Pflicht folgte die Kür: Im Korb der Feuerwehr-Dreheiter wurden die beiden über die Dächer des Harzgeröder Marktplatzes gehievt, um anschließend darin unter dem Jubel der auf Freibier wartenden Festgäste zum Depot chauffiert zu werden. Nach einem letzten Ausblick auf das am selben Tag offiziell eingeweihte Feuerwehrgebäude aus dreißig Metern Höhe begann dann eine lang andauernde Geburtsfeier.