Archiv der Stadt Quedlinburg Warum es zahlreiche Anfragen zu Vorfahren gibt
Rund 1.380 Anfragen zum Personenstandswesen hat es 2020 gegeben, über 300 betrafen Häuser und Bauwerke.
Quedlinburg
Mit dem Eintrag des Standesbeamten vom 25. Februar 1898 wird festgehalten, dass an jenem Tag der Kaufmann Christian Herrmann G. aus der Quedlinburger Pölle erschien und anzeigte, dass seine Ehefrau Luise Auguste Klara in seiner Wohnung am 21. Februar ein Kind geboren hat, das die Vornamen Kurt Christian Gottfried erhielt.
„Wenn heute jemand auf der Suche nach diesem Kind ist“ - zum Beispiel, weil es sein Ur-Urgroßvater war - „erhält er durch diesen Eintrag auch gleich die Namen der Eltern seines Vorfahren“, sagt Antje Löser. Dann könne man 18 Jahre dazurechnen und ab da in den Heiratsregistern nachsehen, was aus dem Ur-Urgroßvater geworden sei. So sehen Recherchen aus, die Antje Löser, Archivarin im städtischen Archiv der Stadt Quedlinburg, jetzt häufiger übernimmt.
In der Corona-Zeit hätten viele das Hobby Familienforschung für sich entdeckt, berichtet sie. Oft stehe das auch im Zusammenhang mit Häusern im Besitz der Familien. Aber ebenso hätten sich Anfragen von Hausbesitzern, die Ferienwohnung vermieten, gern ihren Gästen Auskunft geben möchten und nun coronabedingt Zeit für eingehendere Recherchen haben, gehäuft, sagt die Archivarin. Habe es 2019 etwa vier Anfragen pro Woche gegeben, „sind es jetzt vier bis fünf allein zur Familienforschung an einem Tag“.
Viele Menschen begannen im Lockdown, sich für Familiengeschichte zu interessieren
Auf rund 1.380 summierten sich die Anfragen zum sogenannten Personenstandswesen im Vorjahr, hinzu kamen 319 Anfragen zu Häusern und Bauwerken und 218 Bürgeranfragen zu anderen Themen. Um sie zu beantworten, steht im Archiv der Stadt umfangreiches Material zur Verfügung. Heirats-, Geburten- und Sterberegister, Bauakten, ab 1658 vorliegende sogenannte Bürgermahlsbücher, in denen Geburten und Zuzüge verzeichnet wurden, bis 1520 zurückreichende „Schoßregister“, in denen Steuerabgaben verzeichnet wurden, Bauakten.
„Ein Archiv für alle Unterlagen zu betreiben, die bei der Stadt anfallen, ist eine Pflichtaufgabe“, erklärt Antje Löser. Das sei im Archivgesetz des Landes festgelegt. „Wir bekommen auch Schenkungen von Bürgern, die hier gelebt haben. Dann gucken wir, ob diese zu unserem Sprengel, unserem Wirkungsbereich, passen.“
Im Archiv der Stadt befinden sich rund 1.200 laufende Meter Akten, die nutzbar sind. Hinzu kommen etwa 200 laufende Meter Akten, die erst noch gesäubert werden müssen und teils auch kontaminiert sind.
Geht es um Gebäude, „haben wir in Quedlinburg den Vorteil, dass wir unsere Häuserbücher haben“, erklärt die Archivarin. Entstanden seien diese Bücher, in denen für die Zeit von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1950 erfasst ist, wer in welchem Haus gelebt hat, in einer wissenschaftlichen Arbeit, für die sämtliche auffindbaren Quellen ausgewertet worden seien.
Diese Häuserbücher könnten - in Nicht-Corona-Zeiten - im Benutzerraum des Archivs eingesehen werden, auch für Bauakten sei das möglich. „Wenn man sie denn lesen kann. Für viele ist das schwierig.“ Seien viele doch handschriftlich - in altdeutscher bzw. Sütterlinschrift verfasst, sagt Antje Löser, die mit diesen Schriften aufgewachsen ist - „ich habe von meiner Oma und der Großtante Postkarten bekommen“ - und sich natürlich auch in ihrer Ausbildung damit befasst hat.
Meist handschriftlich sind auch die sogenannten Personenstandsbücher, die Antje Löser sichtet, wenn Anfragen eingehen. „Für einen Teil können wir unsere selbst erstellte digitale Datenbank nutzen.“ Wie lange die Archivarin an einer Anfrage arbeitet, ist ganz unterschiedlich. „Das fängt bei 15?Minuten an, wenn es eine ganz konkrete Anfrage ist und nur zu einer Person, es kann aber auch ein halbes Jahr dauern.“
Für das Bearbeiten der Anfragen wird ein Gebührenbescheid erlassen
Oft sei es zudem so, dass es zu den kopierten Unterlagen einer ersten Auskunft dann noch Nachfragen gebe. Sei es, weil die Schrift nicht gelesen werden könne. Oder - was oft der Fall sei - weil nach weiteren Verwandten oder Einträgen gesucht werden soll. Für das Bearbeiten der Anfragen wird übrigens auch ein Gebührenbescheid erlassen; dessen Höhe richtet sich nach der Verwaltungsgebührensatzung der Stadt.
Natürlich wird auch im Archiv geschaut, wenn im Zusammenhang mit dem Stiftsberg-Ensemble Fragen auftreten, und hin und wieder gibt es auch Anfragen für wissenschaftliche Zwecke. Dass aber auch die Bürger das Interesse an der Geschichte im Weltkulturerbe mehr für sich entdeckt haben, findet Antje Löser sehr schön. Auch für sie sei so manche Familiengeschichte, die sie recherchiere, sehr interessant. So habe sie beispielsweise festgestellt, dass eine Familie nicht nur zwei Bürgermeister in der Stadt gestellt habe, sondern später auch mit Dorothea Christiane Erxleben verwandt gewesen sei. (mz/pek)