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Theaterpremiere Theaterpremiere: "Der Name der Rose" in Quedlinburg

Von Uwe Kraus 29.07.2013, 19:54
Der Abt (Arnold Hofheinz) und ein Teil seiner Mönchsgemeinschaft.
Der Abt (Arnold Hofheinz) und ein Teil seiner Mönchsgemeinschaft. Chris Wohlfeld Lizenz

Quedlinburg/MZ - Überwältigende Gemäuer, Akteure in Mönchskutten, die Besuchern Wasser über die Hände rinnen lassen, man fühlt sich ins Mittelalter zurück gezogen. Atmosphärisch verstärkt wird dieser historienträchtige Blick in der Stiftskirche durch gregorianische Gesänge (sichere musikalische Leitung: Martin Orth). Rosmarie Vogtenhuber hat sich „Der Name der Rose“ nach 2007 erneut angenommen. Statt vorm Altar wird nun auf der Empore gespielt. Zum Wohle des Tourismus kooperieren QTM und Nordharzer Städtebundtheater mit dem klaren Vorsatz, das Stück deutlich länger als bis zum 7. August hier zu spielen.

Vogtenhuber, die in hiesigen Gefilden gestandene und beliebte Regisseurin, stellt sich der Herausforderung, mit ihrer Arbeit gegen die Opulenz eines Erfolgsfilmes anzutreten, bei aller Action Theaterkunst zu zelebrieren und satte 660 Textseiten auf ein knapp dreistündiges Theatererlebnis einzudampfen.

Dabei ist ihre klare Ansage, dass sie keinen Mittelalter-Krimi auf die etwas schlecht einsehbare Bühne in der Stiftskirche bringen möchte. Umberto Ecos Werk ist weit vielschichtiger; philosophisch, theologisch und historisch. Eine Leiche in Schweineblut, eine im Badehäuschen, ein vergiftet zuckender Mönch, der kriminelle Zweig gleicht der Hefe, ist ein Treibmittel der Handlung in ihrer Komplexität.

Vogtenhuber spart dabei nicht an Gruselelementen und hat mit Anita Fuchs sowohl eine ihre Intentionen aufnehmende Ausstatterin an ihrer Seite, als auch gute Maskenbildner hinter der Bühne. Teresa Zschernig als buckliger, sprach-mischmaschender Salvatore mit schlechtem Gebiss legt davon Zeugnis ab.

Mit rund 30 Akteuren steht dem Inszenierungsteam für hiesige Verhältnisse eine opulente Personage zur Verfügung. Aus der ragen vornehmlich die theater- und lebenserfahrenen Akteure hervor, die mit den darstellerisch dankbarsten Aufgaben betraut sind und es im Gegensatz zu anderen Akteuren auch akustisch vermögen, die Botschaft bis in die hinteren Reihen der recht hallanfälligen Stiftskirche zu tragen.

In der Kutte des englischen Franziskanermönchs William von Baskerville steckt Jürgen A. Verch, ein Berliner Charakter-Darsteller, der einst auch als Clown Zirkuszelte voll Besucher begeisterte. Er sprüht vor Scharfsinn, vermag sich differenziert in Situationen hineinzufühlen, ist einfach massiv präsent. Der ehemalige Inquisitor ist nicht nur bei seinen Ermittlungen zu den unnatürlichen Todesfällen im Kloster ein Fragender.

Sein Adlatus, der Benedektinernovize Adson von Melk, dargestellt von Paul Maresch, schaut am Zeichen lesenden Sherlock Holmes in Franziskanerkutte hin an, agiert scheu und voller Bewunderung für den scharfen Verstand seines Meisters. Sein mit Spannung erwarteter Auftritt, bei dem er der Fleischeslust verfällt, die Liebesszene mit dem namenlosen Mädchen (Swantje Fischer), fällt für hiesige Verhältnisse betont bieder-konservativ aus.

Ein Wiedersehen und -hören gibt es mit Sybill Güttner-Selka. Ihre Stimme klingt als Erzähler durch den Kirchenraum. Gleichzeitig gibt sie dem flüchtenden Ubertin von Casale mit einer Mischung aus Angst und Wissen Gestalt. Arnold Hofheinz spielt den Benediktiner-Abt in dessen Doppelbödigkeit.

Der gebürtige Quedlinburger Wolfgang Kaul bewacht als blinder Seher und Benediktiner-Greis Jorge von Burgos eifersüchtig ein Exemplar des „Zweiten Buches der Poetik“ von Aristoteles. Es dürfe nicht in falsche Händen gelangen, denn „Lachen tötet die Furcht“. Unheimlich und als mächtiger Strippenzieher des Glaubens geistert der unergründliche Wissenswächter Kaul durch die Szenerie. Jorges apokalyptische Predigt zählt letztlich zu den echten Gänsehaut-Szenen. Den verheerenden Brand im bibliophilen Heiligtum entwickelt Rosmarie Vogtenhuber noch mal zu einem abschließenden Glanzlicht. Da schließt sich der Kreis im Meisterwerk Ecos wieder, das das Quedlinburger Publikum sommerabendlich so unterhielt, dass es doch dem Theatererlebnis angemessen applaudierte - zu viel Wissen kann tödlich sein.

Wissen erhellt die Welt: William von Baskerville (Jürgen A. Verch, M.) auf Entdeckungstour in der Schreibwerkstatt des Klosters.
Wissen erhellt die Welt: William von Baskerville (Jürgen A. Verch, M.) auf Entdeckungstour in der Schreibwerkstatt des Klosters.
Chris Wohlfeld Lizenz