Sturmtief im Harz Sturmtief im Harz: "Friederike" hinterlässt reichlich Chaos

Quedlinburg - Die Leitungen in der Integrierten Leitstelle des Landkreises Harz müssen am Donnerstag geglüht haben.
Im ganzen Landkreis wurden Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste zu Hunderten Einsätzen gerufen. Gegen Mittag erreichte Sturmtief „Friederike“ den Landkreis.
Außer in Ilsenburg seien die Feuerwehren aller Städte und Gemeinden im Unwettermodus.
Das bedeute, dass aufgrund der Vielzahl der Einsätze separate Stützpunkte vor Ort eingerichtet würden, um umgehend auf Notrufe reagieren zu können, erklärt Christian Wenig, Leiter der Leitstelle. Um der Lage Herr zu werden, „haben wir das Leitstellenpersonal verdoppelt“.
Sturmtief im Harz und der Region: Ausharren in der Warteschleife
Dennoch habe es zeitweise so viele Anrufe gegeben, dass teilweise neun bis zehn Anrufer in der Warteschleife ausharren mussten.
Einen Überblick darüber, wie viele Einsätze es tatsächlich gab, hatte er am Abend nicht. „Wir haben etliche Energieprobleme, viele Straßen sind gesperrt“, fasste Wenig zusammen.
Der Verkehr kam vielerorts zum Erliegen. So war die Kreisstraße von Harzgerode Richtung Schielo nicht mehr passierbar.
Auch die Straßen zwischen Straßberg und Silberhütte (L 234), zwischen Thale, Rosstrappe und Altenbrak (K 1 350) sowie von Elend in Richtung Sorge (K 1 353) mussten wegen umgestürzter Bäume und Unfällen gesperrt werden.
„Es ist damit zu rechnen, dass noch weitere Kreisstraßen vor allem im Ober- und Unterharz gesperrt werden müssen“, teilte Manuel Slawig, Pressesprecher des Landkreises, mit. Darüber hinaus müssten sich Autofahrer darauf gefasst machen, dass der Winterdienst nur eingeschränkt ausrücken könne.
Sturmtief im Harz und der Region: Züge fahren nicht mehr
Die Transdev Sachsen-Anhalt GmbH stellte am Nachmittag aufgrund des Orkans den Betrieb des Harz-Elbe-Expresses (Hex) ein. „Diese Maßnahme gilt für das gesamte Streckennetz des Harz-Elbe-Expresses und dient der Sicherheit unserer Fahrgäste“, teilte die Pressestelle mit.
Die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) hatte bereits am Morgen auf die Wetterwarnung reagiert. Nur im Bereich Nordhausen fuhren die Züge am Donnerstag.
„Der Betrieb im restlichen Netz ruht“, teilte HSB-Pressesprecher Dirk Bahnsen mit und fügte an: „Wir fahren gar nicht erst los.“
Selbst die Harzer Verkehrsbetriebe GmbH stellte zum Nachmittag den Busverkehr in und um Wernigerode ein. Das Unternehmen informiert auf seiner Webseite (http://hvb-harz.de) über aktuelle Entwicklungen.
Sturmtief im Harz und der Region: Unterricht abgebrochen
Bei vielen Kindern und Jugendlichen sorgte die Wetterlage für einen schulfreien Nachmittag. Der Unterricht wurde unter anderem an der Grund- und der Sekundarschule in Harzgerode abgebrochen. Auch die Gymnasiasten in Ballenstedt durften früher nach Hause, ebenso die Schüler des Europagymnasiums in Thale.
Auch der Kommunalpolitik hat der Sturm einen Strich durch die Rechnung gemacht: Sowohl in Quedlinburg als auch in Harzgerode fielen Ausschusssitzungen aufgrund der Wetterlage aus.
Sturmtief im Harz und der Region: Zahlreiche Stromausfälle
Zuletzt meldete auch enviaM-Netzbetreiber Mitnetz-Strom zahlreiche Ausfälle. Über 60.000 Kunden in Sachsen-Anhalt und Sachsen seien zeitweise ohne Strom gewesen. Hauptursache seien umgestürzte Bäume sowie herabfallende Äste, die Leitungen herunterrissen und zu Mastumbrüchen führten.
Sturmtief im Harz und der Region: Rekordböen auf dem Brocken
Auf dem Brocken präsentierte sich „Friederike“ noch ungestümer. Waagerecht peitschten die Schneeflocken schon am Morgen an der Wetterwarte auf dem Brockengipfel vorbei - genau elf Jahre, nachdem auch Kyrill hier wütete.
Mit durchschnittlich 120 bis 125 Kilometern pro Stunde fegte der Orkan über den Brocken hinweg. Auf der Wetterwarte wurden zudem Böen mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 205 Kilometern pro Stunde gemessen. Rekordverdächtig!
Seit 1991 sei das die höchste Geschwindigkeit, die in Verbindung mit einem Schneesturm gemessen wurde, berichtete Wetterwart Ingo Nitschke, der den Sturm hautnah auf dem Brocken erlebte.
„Man sieht die Hand vor Augen nicht.“ Die höchste je auf dem Brocken gemessene Windspitze liegt bei 263 Kilometern pro Stunde - sie wurde am 24. November 1984 gemessen.
„Alles schon mal erlebt“
Aus der Ruhe brachte Sturmtief „Friederike“ die Männer dennoch nicht. „Alles schon mal erlebt“, sagte Nitschke gelassen. Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn die Mitarbeiter der Wetterwarte vor die Tür müssen - etwa um die Niederschlagsmengen oder die Temperatur des Erdbodens zu messen.
„Das ist alles andere als entspannt“, sagte der Wetterwart. Und: „Irgendwann muss man mal nach Hause oder zum Dienst.“
Wie er am Abend vom Gipfel zurück ins Tal kommen würde? „Ich weiß es noch nicht“, gab Nitschke zu.
„Heute früh hat man die Straßenräumung eingestellt, es sind keine Leute hier oben - außer in der Wetterwarte“, berichtete der Wetterwart, der seit gut 40 Jahren auf Norddeutschlands höchstem Berg arbeitet. Der Schneepflug wolle später noch einmal sein Glück versuchen, hoffte er, dann einen Weg vom Berg zu finden. Der Nachtdienst, der ihn ablösen soll, stand vor dem gleichen Problem. (mz)
