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Stadtsprung in den Höllenhof

Von Uwe Kraus 22.10.2007, 17:04

Quedlinburg/MZ. - Uta und Winfried Engel aus Möser fühlen sich etwas als Exoten unter den "Stadtspringern". Sie hatten am Morgen von diesem besonderen Stadtführungsangebot gehört und gingen mit den zumeist gestandenen Quedlinburgern auf Expedition an geheime Orte. Doch so ganz unbedarft sind die Engels nicht. Doch rein beruflich sind ihnen Magdeburger Gründerzeitbauten näher als das Historie atmende Fachwerk der Unesco-Welterbestadt.

Unter der sachkundigen Leitung von Ingrid Weiß begaben sich die Spurensucher weniger auf einen langen als viel mehr tiefgehenden Rundgang. Mit ins 10., 13. und 14. Jahrhundert sprangen zahlreiche Mitglieder des Gästeführervereins, die Quedlinburg eigentlich wissensreich Touristen erklären. Selbst sie lobten die zweistündige Tour in höchsten Tönen und sie werden davon noch lange im Interesse der Besucher zehren.

Fachkundige Begleitung

Ihr fachkundiger Begleiter war dabei Ulrich Queck, der erst einmal in sein Büro einlud. Das trutzige, zweistöckige romanische Gemäuer gilt als ältestes Fachwerkhaus Deutschlands. Die Eichen- und Fichtenbalken in der "Hölle 11" wurden zur Altersbestimmung angebohrt und die Jahresringe der Bohrkerne analysiert. Danach stamme die Eiche von 1215 und die Fichte etwa aus dem Jahr 1230.

Queck verwies auf alte Mauern, historische Balken und führte seine Gäste an der Schwarzküche entlang. Mit den Gästeführern diskutierte er über die gotische Gefachungen und die Fenster des Hauses, das Romanik-, Gotik-, Barock- und Renaissance-Spuren in sich trägt. Klar sagte Queck ihnen aber auch, dass bei der Sanierung "keine verpfuschten Fassungen nachgebaut werden."

Jutta Weißmann führte das pure Interesse auf den Stadtsprung-Rundgang: "Wann hat man schon Gelegenheit in solche Häuser zu blicken?" Den Höllenhof kennen viele Quedlinburger, wie sie, als Berufsausbildungsstätte von HO und Konsum. "Da wollte ich einfach mal schauen, was daraus geworden ist. Schließlich verbinden sich für mich auch Erinnerungen damit."

Wenig später treten die Teilnehmer des außergewöhnlichen Rundgangs vor einen Ständerbau aus dem Jahre 1330. Zum Fachwerkhaus in der Breiten Straße 12/13 gehörte einst noch ein heute abgerissener Teil. Im Keller findet sich ein Brunnen, Zeichen dafür, dass erst nach dem Hausbau unterkellert wurde. Die dicken Fachwerkbalken erzählen interessante Geschichten, die Ulrich Queck zu Gehör bringt. Er verweist auf das sehr hohe Untergeschoss und vermutet, die zweite Etage wurde weitaus später aufgesetzt.

Die Originalbalken werden bis auf kleine Ergänzungen genutzt. Auch wenn sie Spuren der Zeit tragen, sind sie deutlich tragfähiger als solche aus Barockbauten. Dass die eine Fassade so dunkel gestrichen ist, monieren Führungsteilnehmer. Queck erläutert, dass hier der vermutliche Originalfarbanstrich wiederhergestellt wurde. "Damals gewann man die Farbpigmente aus veräscherten Knochen."

Höhepunkt in der Tiefe

Der abschließende Höhepunkt war eher ein Tiefpunkt. Unter dem Haus Klink 8/9 verweilten die Gäste dort, wo bei archäologischen Untersuchungen die ältesten jemals in einem Quedlinburger Fachwerkhaus gefunden Objekte zutage gefördert wurden. "Wahnsinn, dieser Kamm stammt aus der Ottonischen Zeit. Wie haben die nur die Zahlen auf den winzigen Würfel bekommen", fragen die Betrachter der eher unscheinbaren Dinge, die eher zufällig aus einem Haufen Erde geborgen wurden. Am Schluss der Tour gab es noch einen unerwarteten Bonus-Blick. Die Bauherrin benachbarter Häuser erlaubte einen Blick auf Fassaden und in Keller. Alte Fotos belegten, auch diese heute schick sanierten Gebäude sahen einst ziemlich perspektivlos aus. Das gebe Hoffnung für manch anderen Bau. Nicht nur im Klink.