1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Städtebundtheater: Städtebundtheater: Tanzprojekt zeigt Mix aus Strenge und Gefühl

Städtebundtheater Städtebundtheater: Tanzprojekt zeigt Mix aus Strenge und Gefühl

Von Uwe Kraus 12.05.2014, 17:38
Masami Fukushima, Jaume Bonnin (vorn), Yuriya Nakahata, Vinicius da Silva und Anna Vila (Gesicht nicht zu sehen) in der Choreographie „Your Choice“ von Yuriya Nakahata
Masami Fukushima, Jaume Bonnin (vorn), Yuriya Nakahata, Vinicius da Silva und Anna Vila (Gesicht nicht zu sehen) in der Choreographie „Your Choice“ von Yuriya Nakahata Städtebundtheater/Meusel Lizenz

HalberstadT/MZ - Das Feld, das die zehn Mitglieder der Halberstädter Ballett-Compagnie ausschreiten, ist bewusst weit gesteckt. Der aus Sao Paulo stammende Mozart-Liebhaber Vinicius da Silva nimmt die strenge Tanzform des Pas de deux auf, wenn er zur Ouvertüre der „Zauberflöte“ Yuriya Nakahata und Jaume Bonnin auf der Kammerbühne förmlich schweben lässt. Sieben Mitglieder des Ensembles erarbeiteten sieben Choreographien, die in ganz unterschiedlichen Personen-Konstellationen dem Ballettfreund präsentiert werden.

Dem Ballettensemble des Nordharzer Städtebundtheaters gehören derzeit acht Tänzerinnen und Tänzer sowie zwei Praktikantinnen an. Sie kommen aus Japan, Spanien, Frankreich, Italien und Brasilien. Neben ihrem Tanzabend „Junge Choreographen“ arbeitet die Compagnie an der Vorbereitung von „Die erste Schuld“, die am 13. Juni bei den Halberstädter Domfestspielen gezeigt wird. In der Choreographie von Gabriela Gilardi nach der Originalchoreographie des erkrankten Ballettmeisters Jaroslaw Jurasz zeigen die Tänzer die Auseinandersetzung mit der biblischen Schöpfungsgeschichte. Dabei werden Gestalten aus dem Alten Testament zu Handelnden in einem Bühnenstück, das sich allgemeingültigen Themen wie Liebe, Hass, Einsamkeit und Verirrung widmet. Die Ausstattung übernimmt Wiebke Horn nach dem originalen Bühnenbild von Petra Mollérus. „Die erste Schuld“ war die erste Arbeit Jurasz’ für das Nordharzer Städtebundtheater und wurde bei den Domfestspielen 2004 aufgeführt. (ku)

Dramaturgin Johanna Jäger moderiert den Abend sehr sachkundig und charmant. Wenn das „Urgestein der Ensembles“ - Jaume Bonnin wirkt das sechste Jahr am Nordharzer Städtebundtheater - sich dem Mozartschen Requiem zuwendet, sieht man gleich sechs Tänzer agieren, Yoko Onodera gestaltet allein, was Masami Fukushima ihr auf den Leib choreographiert hat.

Jedes der sieben Werke, die das im Vorjahr begonnene Ballettprojekt „Junge Choreographen“ fortführen, schlägt bei den Zuschauern andere Gefühlssaiten an. Bonnins Arbeit basiert auf neoklassizistischen Bewegungen, er lässt sich von der Spiritualität der Mozart-Musik tragen, aus der er seine tänzerischen Anregungen schöpft.

Franzosen zeigen bei ihrem Tanz eine klare Bildsprache

Die Franzosen Shainez Atigui und Alexandre Delamare, auch im wirklichen Leben ein Paar, gehen dagegen bei ihrer diffizilen Sicht auf die Beziehungen von Paaren von ihrer Idee aus, erarbeiten Schritte im Sinne der modernen Romantik, zu denen sie dann ihre Musik finden. Bei „Walls“ beeindrucken sie mit einer klaren Bildsprache. „PaPa!?“ fügt zu atmosphärisch dichter Musik ein emotionales Bild fernöstlicher Familienbande. Mit Gesten und Symbolik spinnt Masami Fukushima ein ganz spezielles Tanznetz, so fern von Sprüngen und Hebungen, sehr bodennah und doch europäischer Sichten fern.

So unterschiedlich die Wurzeln der Tänzerinnen und Tänzer sind, so choreographisch vielfältig erblühen die Darbietungen, so vielklangig die Ballettmusik. Die verschiedenen Kulturkreise, aus denen die Choreographen stammen, wirken mit ihren Noten, aber besonders Tanzstilen tief in den Abend hinein.

Das vermittelt den Besuchern in der ausverkauften Premiere das Gefühl von Weltläufigkeit. Strenge Körperlichkeit und große Sprünge treffen auf abstrakte Formen, die ihr Spiel mit dem Tanz treiben. Wirkt eine Choreographie leicht, locker und facettenreich, folgen danach fast minimalistische Elemente. Yuriya Nakahata, wie Yoko Onodera aus Osaka, erhält Bravo-Rufe für ihr „Your choise“, ein Stück, mit dem sie sich spielerisch erprobt. Sie nimmt dabei sehr zeitgerechte Bezüge. In Anlehnung an die Fukushima-Tragödie fragt sie nach dem Umgang mit Katastrophen, die den Alltag stören. Der Stil wirkt vornehmlich gegenständlich-folkloristisch, die Musik kommt dabei aus einem sehr europäischen Umfeld: Der wunderschön wogende Walzer Nr. 2 von Dimitri Schostakowitsch paart sich mit Musik von Charles Camille Saint-Saëns.

Die wesentlich von der Ausstattungsleiterin des Nordharzer Städtebundtheaters, Wiebke Horn, unterstützte Ballett-Gala offenbart einen so liebevollen Umgang mit den Tanzformen, aber noch mehr noch mit den Akteuren. Ein großes Mit- wie Füreinander, das den Künstlern Entfaltungsräume lässt. So wirkt die 2014er Auflage von „Junge Choreographen“ wie ein Geschenk, für sich, für das Publikum und den seit längerer Zeit erkrankten Chef ihrer Compagnie, Jaroslaw Jurasz.

Weitere Vorstellungen: Freitag, dem 16. Mai, um 19.30 Uhr Neue Bühne Quedlinburg, Sonnabend, dem 24. Mai, um 19.30 Uhr in der Kammerbühne Halberstadt

Masami Fukushima in ihrer Choreographie: „Pa Pa!?“
Masami Fukushima in ihrer Choreographie: „Pa Pa!?“
Städtebundtheater/Meusel Lizenz